Bevor du daran denkst, auf einen ernsthaften zentralen Wettbewerb mit Qualifikation für weitergehende Meisterschaften zu gehen, solltest du dich fragen, ob du dir und und allen Konkurrenten, die ja mit dir fliegen müssen, das zutrauen kannst.
Ein Wettbewerb ist sicher nicht die Plattform, um grundlegende handwerkliche Dinge zu lernen. Die musst du vorher schon beherrschen : Mit anderen zusammen im Pulk kurbeln - und Endanflüge.
Im Grunde ist ein Wettbewerb eine prima primitive Sache : Da wird eine Aufgabe gestellt, meist eine sogenannte Racing-Aufgabe, bei der alle die gleiche Strecke abradeln. Wenn du zunächst mal die Konkurrenten außen vor lässt, dann ist das genauso wie beim Überlandfliegen. Du musst diese Strecke überwinden. Anders ist nur, dass du das wirklich so schnell wie möglich tun musst, weil du dann wahrscheinlich als erster wieder am Platz bist und dann, wenn nicht alle Stricke gerissen sind, auch den Tag gewinnst und die meisten Punkte heimfährst.
Halt ! Du musst Punkte einfahren, nicht nur schnell sein. Deshalb musst du auch verstehen, wie es zu den Punkten kommt, wie sie verteilt werden. Punkte gibt es nicht nur für Geschwindigkeit, sondern auch für die geflogene Strecke.
Wie Punkte verteilt werden, das steht in der Wettbewerbsordnung (WBO) des DAeC (oder der IGC, wenn du Weltmeisterschaften fliegst). In diesen Regelwerken sind die Aufgabentypen (Racing hatte ich schon erwähnt) und der Formelsalat für die Rechenverfahren festgeschrieben. Die Wettbewerbsordnung bekommst du hier.
Auch alte Hasen mit eigener Maschine müssen sich auf einen Wettbewerb vorbereiten. Du als Novize mit einem Vereinsflugzeug musst das umso mehr tun.
- Kennst du den Austragungsort, eventuell mit seinen geographischen Besonderheiten, seinen meteorologischen Besonderheiten ?
- Hast du alles, was die Ausschreibung verlangt (Karten, Frequenzen im Funkgerät, FLARM) ?
- Hast du alle Papiere für die Dokumentenkontrolle ?
- Ist deine Stromversorgung ausreichend und in Ordnung ? Drohen irgendwelche Verbindungen zu reißen oder sich aufzudröseln ? Wackelkontakte ? Korrodierte Kontakte ?
- Funktionieren deine Ladegeräte ?
- Bist du mit deinen Instrumenten vertraut ? Insbesondere mit deinem Mäusekino ?
- Kannst du deinen Rechner programmieren ?
Wenn man nicht hart gesotten ist und auch keinen Motorsegler hat, braucht man im Wettbewerb eine Mannschaft.
Selbstrückhole ist nicht drin. Da kommst du auch bei kleinen Strecken erst nachts nach Hause, bekommst zu wenig Schlaf und bist anderentags ein Risiko für deine Konkurrenten und für dich selbst.
Die idealen Mannschaftmitglieder zu finden ist schwierig, denn ein Pilot im Wettbewerbsstress ist schwer zu ertragen. Fragt mal meine Frau. Die besten Mannschaftsmitglieder sind immer auch selbst Segelflieger, vielleicht ohne den Wettbewerbsehrgeiz oder sie haben ihn hinter sich. Die wissen, wo angepackt werden muss. Du als Pilot musst ihnen nichts erklären. Sie lassen dich in Ruhe, stellen deine Maschine gewienert hin, sorgen morgens für Brötchen, bringen die IGC-Files zur Auswertung. Wenn du so jemand findest, pack ihn in Watte ein und versteck ihn, sonst bekommst du ihn geklaut.
Oder heirate sie oder ihn, wie das Marcus mit Üli getan hat. Oder Üli mit Marcus. Die fliegen und holen-rück abwechselnd. Kinder haben sie aber nicht abwechselnd bekommen, nur zwei.
Wettbewerbe finden nach Regeln statt. Ist völlig neu, was ? Da gibt es eine Kaskade von Regelungen, von denen im Zweifel immer die letzte greift.
- Der Code Sportif
- die Deutsche Wettbewerbsordnung für Segelflugwettbewerbe
- die Ausschreibung des Ausrichters
- die Ausführungsbestimmungen des Ausrichters und
- die Anordnungen der Wettbewerbsleitung in den Briefings.
Der Code Sportif und die Deutsche Wettbewerbsordnung sind sehr stabile Dokumente.
Die Ausschreibung und die Ausführungsbestimmungen sind auf den jeweiligen Austragungsort abgestimmt und können sehr unterschiedlich sein.
Oft gibt es eine kurze Periode (2-5 Tage), in denen der gastgebende Verein den Teilnehmern Gelegenheit für ein Trainung auf dem Platz gibt, damit sie sich mit dem Platz (Endanflüge) und der Gegend vertraut machen können. Als Anfänger solltest du diese Gelegenheit unbedingt wahrnehmen. Es dient der Sicherheit und dem Erfolg.
In der Wettbewerbsordnung des DAeC werden drei Typen von Aufgaben genannt, die bei zentralen Wettbewerben ausgeschreiben werden dürfen :
Speed Task (Racing, Rennaufgabe)
Speed Assigned Area Task (SAA)
Distance Assigned Area Task (DAA)
Auf deinem ersten Wettbewerb brauchst du ein paar Tage, damit du mit deiner Mannschaft die tägliche Routine (aufstehen, Körperpflege (?!), frühstücken, Flugzeug aufrüsten, tanken, an den Start stellen, Briefing, Aufgabe auf die Karte oder in den Rechner bringen, Logger prüfen, aufs Klo gehen, pinkeln, Freundin oder Frau zum Abschied knutschen, etc.) auf die Kette kriegst, ohne irgendwann in Hektik zu verfallen. Es ist eine Menge zu tun. Es lohnt sich, dieses Organisationsproblem nicht einfach nach dem Motto "so ist es halt geworden" zu erleben, sondern es bewusst zu steuern, auch wenn es Fehler gibt. Und die wird es geben !
Da auf einem Wettbewerb in der Regel mehrere Klassen fliegen, ist es üblich, die Klassen aus Sicherheitsgründen möglichst zu separieren.
Die verschiedenen Klassen bekommen verschiedene Abflugpunkte, damit das Gesamtfeld vor dem Start schon entzerrt ist. Und die Klassen bekommen auch meistens unterschiedliche Aufgaben, so dass es auf der Strecke nicht zu Pulks unterschiedlicher Klassen kommt.
Geflogen wird entweder um einen genau fixierten Kurs herum (Racing-Aufgabe) oder es werden Wendegebiete definiert, innerhalb derer der Pilot seine Wenden frei wählen kann (GPS-Position) (bei SAA oder DAA).
Die Startlinie besteht nach DAeC-WBO aus einem "Tor", das - rechtwinklig zum ersten Kurs - sich nach jeder Seite vom Startpunkt aus 10 km ausdehnt.
Startaufbau
Start und Abflug
Dokumentation im Wettbewerb ist ja denkbar einfach geworden.
Du nimmst nach dem Flug entweder den ganzen Logger oder die Datenträger mit den IGC-Files aus dem Flugzeug und trägst sie in die Wettbewerbsleitung. Die armen Jungs da müssen die IGC-Files lesen und der Auswertung zuführen.
Es zeugt von schlechtem Geschmack, wenn du deine Liebesbriefe und deinen Lieblingsporno auch auf dem USB-Stick hast, den du der Wettbewerbsordnung gibst für die Auswertung. Mach es den Auswertern bitte so einfach wie möglich. Auf den Datenträger gehören nur IGC-Files, am besten nur der IGC-File des letzten Flugs.
Die Funkerei unter Teilnehmern ist im Wettwerb, national wie international, strengen Regeln unterworfen, eigentlich und meist verboten, aus Gründen der Sicherheit, aber auch um Teamflug zu verhindern. Das Problem allerdings ist, dass diese Regeln nicht durchgesetzt werden können.
Vor dem Abflug hast du Gelegenheit, das Wetter zu erkunden: Ziehen die Wolken auf der Windseite, auf der Sonnenseite, überhaupt ... ? Du fliegst in den ersten Schenkel hinaus, um dir das Wetter anzuschauen, immer innerhalb des Endanflugkegels auf den Startplatz, 10 - 20 km weg. Ist da das Wetter homogen ? Oder gibt es einen besonderen HotSpot, den es lohnt, nach dem Abflug anzufliegen ?
Auf Wettbewerben musst du damit rechnen in Pulks zu fliegen.
Das wird dich als Anfänger in deiner Aufmerksamkeit stark belasten. Es ist ein Henne-Ei-Problem : Du kannst es am Anfang nicht, kannst es aber nur lernen, wenn du es tust. Irgendwann musst du im Pulk fliegen. Es wird sich nicht vermeiden lassen und - mehr noch - es ist manchmal wettbewerbstaktisch unklug, nicht im Pulk zu fliegen.
Der Endanflug im Wettbewerb wird in der Regel mit mehr Risiko geflogen als der Endanflug nach einem OLC-Überlandflug, wo es nur ums Ankommen geht, aber nicht um die Zeit.
In Wettbewerben sind Endanflüge mit MacCready-Werten von mehr als 2 m/s nicht unüblich, sie führen zu brutaler Belastung von Mensch und Material. Das kommt immer dann vor, wenn die Thermik beim Endanflug viel besser ist, als du sie vorher eingeschätzt hast, oder wenn du mit zu viel Sicherheit fliegt.
Im Wettbewerb ist es notwendig, dass du nach jeder Außenlandung, auch wenn und bevor du zurückgeschleppt wirst oder aus eigener Kraft (MoSe) zurückfliegen kannst, immer im Wettbewerbsbüro anrufst.
Das hat drei Gründe :
- Der Sportleiter will sicher gehen, dass alle seine Schäfchen abends wieder sicher auf der Erde sind. Er kommt ins Transpirieren, wenn die Sonne unterzugehen droht, ohne dass er weiß, wo alle sind. Das ist verständlich, wenn du bedenkst, dass die Wettbewerbsleitung verpflichtet ist, Such- und Rettungsmaßnahmen einzuleiten, sollte abends jemand fehlen. Ein solcher Schritt (Anruf Polizei und SAR) markiert den deutlichen Übergang vom Spaß beim Fliegen zu großem, eventuell tödlichem Ernst : Erstens, weil jemand fehlt, verletzt sein könnte, eventuell unbeweglich in seinen Trümmern liegt und die Nacht in freier Natur wegen Unterkühlung nicht überstehen würde, gerettet werden muss - und zum Zweiten, weil professionelle Suchmaßnahmen (SAR) richtig viel Geld kosten. Bei Leichtfertigkeit fallen diese Kosten auf den Verursacher des Ganzen, den Piloten, der nicht telefoniert hat, zurück. (Erlebnisbericht siehe unten)