Deine Vorbereitungen sind abgeschlossen. Du hast alle Papiere, deine Getränke, was zu essen, alle Karten und Vorbereitungszettel, die Thermik spielt auch mit und los geht es. Schleppkiste, Start, Ausklinken, erste Thermik, Abflugpunkt - und vor dir auf Kurs sieht es prima aus.
Huch, nach 25 km stellst du fest, dass du trotz Einhalten des Vorhaltewinkels nach rechts aus dem Kurs getrieben wirst und langsamer voran kommst als in der Flugvorbereitung angenommen. Du weißt, wo du bist, aber du bist eben rechts vom Kurs und nicht auf dem Kurs, wo du sein möchstest. Was kann die Ursache sein ?
- Der Wind ist stärker als angenommen.
- Der Wind kommt mehr von der Seite als angenommen.
- Du fliegst langsamer als angenommen.
Was musst du tun, unabhängig von der Ursache ? Du musst den Vorhaltewinkel größer machen. Wenn du nach rechts aus dem Kurs getrieben wirst, wird damit dein neuer Vorhaltekurs kleiner (und umgekehrt). Um wieviel sollst du den Vorhaltewinkel vergrößern ? Faustregel: Lege die Hälfte deines alten Vorhaltewinkels nochmal drauf. Alter Vorhaltekurs 70°, alter Track 80°, alter Vorhaltewinkel 10°. Geflogener Track 85°, neuer Vorhaltewinkel 15°, neuer Vorhaltekurs 65°.
Durch die Rechnerei mit dem Vorhaltewinkel hast du die Orientierung verloren. Jetzt weißt du nicht mehr genau, wo du bist. Woran kannst du dich noch festhalten ?
Du hattest deine Überlegung mit dem Vorhaltewinkel deshalb begonnen, weil du zuletzt festgestellt hattest, dass du nach rechts aus dem Kurs getrieben worden warst. Verbringe jetzt keine Zeit damit, unbedingt im Kleinen herausfinden zu wollen, welches Dörfchen, welcher Bienenstock gerade unter dir ist. Fliege einfach mit dem neuen Vorhaltewinkel weiter, bis du deine nächste Auffanglinie findest. Dann sollte das Problemchen schon gelöst sein.
Es ist nicht notwendig, dass du immer ganz genau wissen musst, wo du gerade bist. Das kostet Aufmerksamkeit und Zeit und bringt nichts. Es ist viel wichtiger zu wissen: Bist du rechts oder links vom Kurs ? Wie weit ist es - ungefähr - bis zur nächsten Auffanglinie oder Wende ? Wo kommt der Wind her ? Hat er sich dramatisch verändert ? Wohin musst du vorhalten, um wieder auf den Kurs zu kommen ?
Es ist weder sinnvoll noch notwendig, aus dieser Situation direkt wieder auf den Kurs zuzufliegen und wenn du dort bist, mit einem Knick wieder auf dem Kurs weiterzufliegen. Es ist sinnvoller, in einem spitzen Winkel wieder zurück zum Kurs zu streben. Dann fliegst du den geringsten Umweg.
Du hast ja in deiner Streckenvorbereitung eine Schnittgeschwindigkeit angenommen. Wenn du mit dieser Schnittgeschwindigkeit weiterfliegst, kannst du immer abschätzen, wie weit du an deiner Strecke weitergeflogen bist - vorausgesetzt, du hältst dich nicht mit Klein-Klein-Navigation auf und fliegst deshalb nicht langamer voran.
Schminke dir das Ziel ab, dass du immer genau wissen willst, wo du bist. Belaste deine Aufmerksamkeit nie mit Klein-Navigation (Ausnahme: Kurz vor der Wende). Schaue nach den großen Landmarken und orientiere dich relativ zu denen.
Mitkoppeln:
Du musst dir immer merken, wo du zuletzt deine Position auf eine "Daumendicke" genau bestimmen konntest, und so, wie du fliegst, muss dein Daumen immer - entsprechend deiner Geschwindigkeit - auf der Karte entlang rutschen. Wenn man das genau macht, so wie das in den Lehrbüchern zu lesen steht, nennt man diese Methode "mitkoppeln".
Weil ein Segelflug nicht mit der Präzision abläuft wie ein Motorflug, funktioniert diese Methode beim Segelfliegen nur mit Abstrichen. Du bleibst zum Beispiel einfach wegen schlechter Thermik irgendwo hängen, damit fällt deine Schnittgeschwindigkeit und deine Koppeltabelle muss korrigiert werden. Das kann keiner in der Luft machen. Deshalb dieses "Koppeln lite", wie oben beschrieben, zwar wünschenswert, aber nicht die Ultima Ratio.
Fehlerträchtige Situation 1:
Wenn du dich eingegraben hattest und dann - heilfroh wieder einen Bart gefunden zu haben - oben an der Basis angekommen auf dem noch nachhängenden oder voreilenden Schnapskompass einen falschen Kurs zum Weiterfliegen wählst, dann zügig fliegst, dann bist du ruckzuck ein ganzes Stück vom Kurs weg.
Abhilfe: Wenn du geradeaus fliegst, nie den Kompass aus dem Auge verlieren. Deine Streckenvorbereitung sagt dir deinen Vorhaltekurs - und den muss der Kompass beim ruhigen Geradeausfliegen auch anzeigen. Also nach dem Abflug vom Bart nicht sofort für wahr nehmen, was der Kompass zeigt, sondern erst wenn der Kompass sich beruhigt hat, den Kurs kontrollieren.
Fehlerträchtige Situation 2:
Die Wolken auf Kurs sehen alle grottenschlecht aus und du fliegst einen Umweg, also zunächst bewusst aus dem Kurs raus. Manchmal muss das sein. Da bist schon alleine aus dieser Situation heraus ein wenig nervös. Vielleicht musst du lange gleiten und findest erst in niedriger Höhe wieder Thermikanschluss und beginnst zu kurbeln. Der Bart ist nicht ruhig und du brauchst 80 % deiner Aufmerksamkeit fürs Steigen, aber beim Kreisen schaust du in die Runde. Und plötzlich haben alle Landschaftsmerkmale ein völlig fremdes Aussehen. Selbst todsicher bekannte Landmarken erkennst du plötzlich nicht wieder. Panik nagt an deinem Herzen ...
Abhilfe: Versuche nicht, dich zu orientieren, bist du wieder 300 m höher bist. Lege alle Aufmerksamkeit ins Kurbeln. Bevor du die Thermik verlässt, rekapituliere, auf welchem Kurs du aus dem alten Kurs rausgeflogen bist und wie dein Korrekturkurs UNGEFÄHR aussehen müsste, dann fliege diesen Kurs, wenn das Wetter das zulässt. Nach einigen tiefen Atemzügen werden plötzlich alle Landmarken wieder erkennbar an ihrem Ort sein.
Wenn du der Wende näher kommst, kannst du dir natürlich keine Freiheiten in der Navigation mehr erlauben. Das ist auch der Grund, weshalb es sich für Neulinge schickt, gut sichtbare Wenden zu wählen.
Je näher du der Wende kommst, umso genauer musst du deine Position relativ zum Kurs kennen.: Bist du 5 km links, 8 km rechts ?
Sobald du die Wende visuell ausgemacht hast, ist der Rest der Umrundung kein terrestrisches Navigationsproblem mehr, nur noch ein meteorologisches, manchmal eine knifflige Aufgabe. Überlege dir bitte VOR dem Wenden, in welche Richtung du auf dem nächsten Schenkel wegfliegen musst. Betrachte die Wolken in dieser Richtung und überlege dir einen Weg zu den nächsten Wolken.
Wenn du ein konventionelles FAI-Dreieck als Strecke gewählt hast, dann ist der Zeitpunkt der Umrundung der ersten Wende für dich wesentlich für die Entscheidung: Weiterfliegen oder Abbrechen. Hinkst du hinter deinem Zeitplan her, dann hast du nicht den erforderlichen Schnitt erreicht. Wenn du keine trifftigen Gründe dafür hast, dass der Schnitt auf den weiteren Schenkeln steigen wird, solltest du den Weg nach Hause wählen - es sei denn, du willst deinen Rückholer testen. Das kann ja auch ein Ziel sein :-)
Wenn du deinen Zeitplan erfüllt hast, dann wirst du sicher weiter fliegen.
Der weitere Flug sollte ähnlich ablaufen wie der erste Schenkel. Auf dem letzten Schenkel kommt dann als Schikane noch der Endanflug dazu. Irgendwann musst du ja mal mit dem Kurbeln aufhören und dich nach Hause stürzen. Das kannst du natürlich machen, wenn du senkrecht über deinem Heimatplatz bist. Du kannst es aber wesentlich "ökonomischer" auch schon früher machen, wenn du mit deiner "Stürzerei" den Platz noch mit 250 m über Grund erreichst. Dazu gibt es ein eigenes Kapitel.