Segelfliegen ist keine Sache, die sich mit halben geistigen oder halben körperlichen Fähigkeiten machen lässt. Dazu ist es viel zu gefährlich, für dich und – vor allem – für Dritte. Deine geistigen wie körperlichen Fähigkeiten beziehungsweise das, wozu du nicht fähig bist - "die Grenzen deines, des menschlichen Handlungsvermögens" -, das ist statistisch gesehen die häufigste Ursache von Unfällen beim Segelfliegen.
Natürlich gab es diese Grenzen schon immer, nur sind sie in den letzten 20 Jahren in der gesamten Luftfahrt, nicht nur bei uns Segelfliegern - da zuletzt - , immer mehr in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Der Grund liegt darin, dass die internationalen und nationalen Flugunfalluntersuchungsstellen herausgefunden haben, dass die Überschreitung der Grenzen menschlichen Handlungsvermögens mitverantwortlich war für sehr viele Unfälle. Ursprünglich waren diese Untersuchungen darauf ausgerichtet, technische Schwachstellen am Gerät aufzuzeigen und abstellen zu lassen. Was a la longue bei diesen Untersuchungen heraus kam, war dann doch ernüchternd. Technisch sind unsere Flugzeuge sehr sicher. Was die Fliegerei in größerem Maße unsicher macht, sind die Piloten, die an ihre Grenzen stoßen.
Wenn das Thema "Human Factors" jetzt in der Grundlagenschulung und auf vielen Segelfliegerseminaren auftaucht, dann soll das dem Zweck dienen, die Piloten wachzurütteln, ihnen vor Augen zu führen, dass sie aktiv und bewusst mit ihren eigenen Grenzen, Schwächen und Fehlleistungen umzugehen lernen müssen.
Ich habe diese Themen zwar hier - ganz am Anfang der WebSite - platziert, aber bitte nimm mit, dass diese Themen auf jeder der hier beschriebenen Stufen von Expertise wesentlich sind, vielleicht sogar noch wichtiger als hier, ganz am Anfang deiner Segelflugkarriere.
Segelfliegen ist keine Sache, die sich mit halben geistigen oder halben körperlichen Fähigkeiten machen lässt. Dazu ist es viel zu gefährlich, für dich und – vor allem – für Dritte.
Gut und sicher segelfliegen kann nur der, der körperlich und geistig „fit“ ist.
Deshalb gilt im Jux die Regel: „24 m ums Flugzeug kein Alkohol“, der Staatsanwalt legt das aus als: „0,0 Promille !!“.
Beim Fliegen verlierst du große Mengen von Feuchtigkeit aus dem Körper, durch Schwitzen, durch Abatmen, durch Ausscheidung (Nieren, Urin).
Augentrockenheit und Mundtrockenheit sind nur die schwachen äußeren Anzeichen.
Zum lange unterschätzten Thema Sauerstoffmangel (und auch am Rande zum Thema „Wasser im Piloten“) folgende erschöpfende Abhandlung.
Ich (der Horst) habe seit 1997 ein EDS und ich fliege/flog, seit ich es habe, in den Alpen immer mit eingeschaltetem Sauerstoff in Stellung N (alle Höhen). Ich bin oft belächelt worden (bei Schaffner sind das die O2-Hardliner). Vor dem EDS hatte ich einen Dauerströmer, selbst zusammen gebastelt. Der hat sehr viel Sauerstoff verschwendet, ich mußte jeden Tag die Flasche füllen. Das war dann ein logistisches und ein finanzielles Problem. Und deshalb habe ich früher auch immer daran gespart - mit genau den Effekten, die Heini Schaffner beschreibt, vor allem Kopfschmerzen.
Jetzt in der DG800 werde ich den Sauerstoff dauernd eingebaut lassen und, den Ratschlägen Schaffners folgend, auch im Flachland bei langen hohen (> 2000 m) Flügen Sauerstoff nehmen. Man wird halt älter und klüger.
Streckenflüge dauern lang. Ein Anfänger fliegt ein 300-km-Dreieck mit einem Schnitt von 50 - 60 km/h, dann dauert es 5 - 6 Stunden.
Kleiner Dreisatz aus dem 4. Schuljahr :
Wie lange dauert dann ein 400-km-Dreieck? Wie lange ein 500-km-Dreieck?
Segelfliegen ist keine Sache, die sich mit halben geistigen oder halben körperlichen Fähigkeiten machen lässt. Dazu ist es viel zu gefährlich, für dich und – vor allem – für Dritte.
Gut und sicher segelfliegen kann nur der, der körperlich und geistig „fit“ ist.
"Geistig fit" ???
Na ja, die Segelflugpiloten leiden selten an Intelligenzmangel, sonst bestehen sie keine Prüfung. Einen IQ über der Mitte haben alle.
Segelfliegen ist ein sehr komplexer Sport. Fitness muss mit Intelligenz und einigen anderen psychischen Eigenschaft gepaart sein. Die Abwesenheit dieser psychischen Eigenschaften und die Anwesenheit inverser psychischer Eigenschaften wirken störend bis gefährdend. Helmut Reichmann hat in seinem berühmten Vortrag alles auf den Punkt gebracht. Und auch die Brigliadoris haben das ausführlich beschrieben.
Bruno Gantenbrink: Sorglosigkeit ist der Tod jedes Sicherheitsbewußtseins.
Ein Segelflieger kann/darf nicht sorglos und gleichgültig und völlig stressfrei sein. Er kann, wenn er Fehler macht, Leben zerstören, sein eigenes und/oder das Dritter, nicht zu reden von Wertvernichtung. Er braucht eine (An-)Spannung, die alle Sinne mobilisiert und ihm eine weite Wahrnehmung ermöglicht. Für mich (Horst) ist das immer die prickelnde Vorfreude und Neugierde auf das, was ich beim Fliegen erleben darf.
Anfang der 80-ziger Jahre hat eine (damals seufz!) junge Medizinerin, Dagmar Tessmann, Vereinskameradin aus Reinheim, als Doktorarbeit einen Freilandversuch gefahren. Sie hat Sportlern verschiedener Sportarten, auch Formel-1-Fahrern und Segelflugpiloten, Aufzeichnungsgeräte mitgegeben, um die Herzfrequenz messen. Mit statistischen Methoden und durch begleitende Untersuchungen an den Versuchskaninchen in Ruhe und beim Leistungs-EKG in der medizinischen Praxis hat sie versucht, den Stresseffekt in der Pulsfrequenz zu herauszufiltern.
Dabei kamen als Schlaglichtergebnisse raus: Segelfliegen und Formel-1-Fahren sind ungefähr gleich stressig. Dann kommt lange Zeit nichts. Und dann kommen andere technische Sportarten, z.B. Segeln.
Ein Phänomen, das bei vielen, auch ganz erfahrenen Piloten beobachtet wird, ist extreme Zielfixierung, neudeutsch "target fixation".
Eine Standard-Situation, die schon oft erfolgreich gemeistert wurde, z.B. ein scharfer Endanflug auf den heimatlichen Platz, wird durch die Veränderung von wenigen Parametern plötzlich brandgefährlich. Da ist das Fallen auf den letzten 15 km durchgehend stärker als gewohnt, dafür der Rückenwind aber schwächer. Die Sicherheitsmarge schwindet stetig. Der Wunsch heimzukommen, verdrängt den Schweinehund namens Vorsicht, und der Pilotör nagelt mit Tunnelblick auf den heimatlichen Platz zu.
Segelflieger brauchen ein gesundes und robustes Ego, sonst würden sie nicht die Leistungen vollbringen, die sie vollbringen. Manchmal haben sie ein zu großes. Das steht ihnen dann selbst im Weg und gefährdet sie.
Im englischsprachigen Raum sagt man :
"There are old pilots, there are bold pilots,
yet there aren't many old bold pilots".
Das krasse Gegenteil von Angst und fehlender "Traute" beim Fliegen ist Selbstüberschätzung. Da gibt es Fliegerkameraden, die spüren keinerlei Furcht, auch wenn es angebracht wäre.
- Klar, komme ich noch über den Pass….
- Dahinten in dem engen Flusstal kann ich sicher landen …..
- Ich brauch keinen Sauerstoff ….
- Der vor mir fliegt zu flache Kreise. Da komm ich innen noch rum ...
Diese Typen sind wider jede Vernunft von sich überzeugt, dass ihnen alles gelingt. Und es gelingt ihnen natürlich auch viel, weil sie von den allerletzten Sicherheitsreserven leben. Aber: Diese Typen sterben nicht im Bett. Es ist ja noch verschmerzbar, wenn sie das so wollen und tun, aber manchmal kommt die Gefährdung Dritter hinzu (siehe letzter Fall der kleinen Liste oben). Und da hört der Spaß auf und es muss ihnen Einhalt geboten werden. Das ist in fast allen Fällen recht schwierig, denn diese Piloten sind ja uneinsichtig und Vernünftgründen nicht zugeneigt.