1999, Trainingswoche der Segelflugweltmeisterschaft in Bayreuth, wir machten in dieser Zeit Fliegerurlaub auf dem Feuerstein und es herrschten fantastische Segelflugbedingungen.
Horst V. war mit mir als Co im Duo über dem Oberpfälzer Wald unterwegs. Nordwestkurs, Nordostwind, Basis über 2000 m, bestes Steigen, schneller Gleitflug auf einen der 3/8 Kumulanten vor uns. 100 m tiefer, leicht rechts versetzt, fliegt mit gleicher Geschwindigkeit leicht hinter uns ein Segler mit.
An der Wolke treffen wir nach kurzem Zentrieren 3 m/s im Mittel an. Fantastisch sollte man meinen, aber was macht der Bursche unter uns:
Er steigt ebenfalls in das Steigen ein, fliegt durch unseren Bart, diagonal Richtung Sonnenseite der Wolke; kurze Richtungsänderung nach links; scharfes Einkreisen nach rechts; enges aber nicht zu schnelles Kurbeln. 300 m neben uns hat er uns mit wenigen Kreisen überstiegen.
Krasser kann man den Unterschied im fliegerischen Können nicht gezeigt bekommen.
Was hat der Pilot besser gemacht?
Man könnte vermuten, dass er im Training nur mal die Thermik getestet hat und Glück hatte. Diese Erklärung ist mir zu einfach.
Die Wolke sah auf der Windseite gut aus. Diese Seite lag auf unserem Kurs. Deshalb sind wir die Ostseite angeflogen und haben den 3 m-Bart angetroffen. Wind war aber an diesem Tag kein entscheidendes Merkmal für die Orientierung der Thermik unter der Wolke und man konnte besseres Steigen als 3 m/s erwarten. Wir hatten vorher bereits Steigwerte über 4 m/s angetroffen. Der Kollege wusste das, hat besser kombiniert und brillant und eng zentriert. Mit dem Flug durch unser Steigen wusste er, was ihn hier erwarten würde. Er sah aber auch die gute Entwicklung an der Sonnenseite der Wolke. Mit der Erfahrung der Wolken vorher, hat er den Aufwind dort gesucht und gefunden. Vielleicht hat er Vögel gesehen, wahrscheinlich die Bewegungen in der Wolke besser interpretiert.
In kürzester Zeit hat er mehrere Optionen erfasst, geprüft und sich entschieden. Er ahnte oder wusste sogar, dass er mit den 3 m/s nicht zufrieden sein musste. Er hat sich dem üblichen Herdentrieb „Da kurbelt schon einer, da geh ich dazu.“ widersetzt und uns mit seinem eigenen Stil, seiner eigenen Entscheidung innerhalb weniger Minuten um mehrere Hundert Höhenmeter überholt.
Ein paar Jahre später konnte ich von dieser Erfahrung bei der Marburg Open profitieren.
Wir, Roman als Co und ich, hatten den Marburger Duo „voraus fliegen lassen“ (… aber das ist eine andere Geschichte) und ihn dann gejagt. An der ersten Wende kreisten die Kollegen ein und man sah, dass sie gut stiegen. Der zweite Schenkel zeigte gute Wolkenbildung.
Der Marburger Duo war kurz vor uns schon am Kurbeln. Außerhalb des Dreieckes, vielleicht ein Kilometer weiter, bildete sich ein Flusen, der stark wuchs. Wir flogen etwa 100 m tiefer durch das Steigen der Marburger durch, merkten uns die etwa 2 m/s und flogen zu unserem Flusen weiter. Kräftig aber eng trafen wir 3,5 bis 4,0 m/s an. Bis die Kollegen das sahen, den Wechsel zu unserem Bart entschieden und umsetzten, waren wir längst an der Wolke und in einem schnellen langen Gleitflug verschwunden.