Für dich als Anfänger erscheint es wahrscheinlich so, als seien die Phänomene der Wellenbildung in der Atmosphäre intuitiv erfassbar.
Sei gewarnt. Das ist nur in Teilen so, in anderen Teilen sind die Vorgänge ziemlich vielschichtig. Es gibt viele Typen von Wellen in der Atmosphäre. Ich werde noch darauf eingehen.
Die Wellen, an denen wir Segelflieger das größte Interesse haben, das sind Leewellen.
Leewellen
Beginnen wir es einfach :
Das einfachste Wellenbild bekommst du, wenn du einen Bach, der flach und eben fließt, über eine Stufe, vielleicht nur 10 cm hoch, fallen lässt und dann weiter eben und flach fließen läßt.
Die Strömung wird dann über der Stufe beschleunigen, die Wasseroberfläche wird unter das Niveau des unteren Bachlaufs fallen und dann sanft überschwingend und sich dann beruhigend wieder ins Gleichgewicht kommen. Auf dem Bild links beruhigt sich die Strömung nicht, da ist der Bachboden unterhalb der Stufe nicht glatt. Die glatte Strömung wird laminare Strömung genannt, im Gegensatz zur verwirbelten turbulenten Strömung weiter stromabwärts.
Die Wasseroberfläche zeigt aber nur dann eine solche Wellenbewegung, wenn der Abstand der Oberfläche zum Boden der Strömung, hier der Stufe im Bachbett, nicht zu groß und auch nicht zu klein ist.
Ich bin ziemlich sicher, dass du dich mit den Wellen vertraut fühlst, denn ich setze voraus, dass du wie jedes Kind mal an einem kleinen Bach gespielt hast und dort dem Wasser Steine in den Weg gelegt hast. Das Wasser fließt um die Steine herum und auch drüber weg und bildet dabei stabile Muster.
Die Welle entsteht auch dann, wenn die Stufe nicht - wie im Bild der Leine - genau quer zur Strömung liegt, sondern in einem Winkel. In diesem Fall wird die Welle schief zur Fließrichtung verzogen sein.
Was oben in der Leine so trivial aussieht und einfach klingt, ist schon einem "ungepflegteren" Bach wie im rechten Bild sehr kompliziert. Das Wasser überströmt die Steine allseitig. Strömungsteile werden von benachbarten Steienen laminar aufeinander zu gelenkt und vereinigen sich - meist turbulent, selten laminar. Strömungsteile werden zwischen Steinen eingeengt und beschleunigt. Strömungsteile schwingen hinter dem Hindernis laminar nach unten, aber nicht immer laminar nach oben. An wenigen Stellen kannst du zwei Wellen laminar hintereinander erkennen. Da liegt entweder kein Stein im Bachbett, um die Strömung zu stören, oder er liegt so passend im Bachbett, dass die Strömung wieder nach oben gelenkt wird. Ungefähr in der Bildmitte fällt das Weißwasser hinter der steilsten Stelle des Hindernisses auf. Da liegt offensichtlich ein Hindernis so in der Strömung, dass sie "die Kurve nach oben nicht kriegt" und bricht. Dieses Bild kommt dem chaotischen Geschehen in der realen Welt schon mal näher. Aber : So interessant diese Bachbilder sind, sie können uns für den Aufbau der Welle in der Atmosphäre nur eine grobe Anschauung vermitteln.
Leewellenbildungen in der Atmosphäre werden zwar immer an einer Unstetigkeit in der Erdoberfläche ausgelöst (meistens Bergketten, seltener Täler). Das ist anschaulich und erfassbar. Aber die Ausprägung der Welle hängt von eine Vielzahl von Parametern ab : den Gradienten der Windgeschwindigkeit mit der Höhe, der Temperatur, des Luftdruckes, der Feuchtigkeit mit der Höhe. Und natürlich spielen auch orographische Gegebenheiten eine Rolle : Kanalisierte und dadurch verstärkte Anströmung des Hindernisses, Form des Hindernissen (konkav oder konvex oder schief zur Strömung, siehe die Steine im Bach). Mehrere Hindernisse hintereinander können in Phase mit der Welle stehen, dann können sie (müssen nicht) die Welle verstärken. Wenn sie allerdings nicht in Phase mit der Welle stehen, stören sie die Welle, auch in Analogie zu den Bildern vom Bach weiter oben.
Die Ausprägung einer Leewelle bewegt sich im Spektrum zwischen zwei Idealtypen :
- dem Hydraulischen Sprung (engl.: vertically propagating wave) und
- der Resonanzwelle (engl.: trapped wave).
Welcher Typ von Welle sind konkret ausbildet, ist abhängig von den atmosphärischen Gegebenheiten, insbesondere vom Windgradienten.
Für Interessierte, hier hat Dr. Robert Feßler die Grundlagen zusammengestellt.
Beim hydraulischen Sprung entstehen keine oder nur ganz schwache Resonanzwellen, bei der Resonanzwelle dagegen entstehen viele Resonanzen.
Der hydraulische Sprung kann sehr hoch reichende Aufwinde erzeugen, bis in die Stratosphäre (siehe Perlan-Projekt). Da er keine lateralen Resonanzwellen bildet, ist hier der Begriff "Wellenlänge" eigentlich nicht anbgebracht. Wichtig ist zu wissen, dass der Sprung i.d.R viel weiter weg vom Hindernis steht ( ca 10 -15 km), als eine Resonanzwelle ( ca. 0,5 - 4 km ).
Für hydraulische Systeme ist der Hydraulische Sprung theoretisch-wissenschaftlich gut unterbaut. Für aerologische Systeme, in denen der Hydraulische Sprung auch vorkommt, ist das nicht so. Da ist noch viel zu tun. Siehe auch das Buch von J.M. Clément.
Die beiden Wellentypen kommen kaum je in Reinform vor, meistens sehen wir Mischformen in der Natur.
Hier folgend ein Bild eines (beinahe) typischen Hydraulischen Sprungs.
Im Bild links sind die aufsteigenden Luftmassen der Rotoren durch die Bodenstauberosion deutlich zu erkennen. Die Rotorwolken haben auf der Luvseite (Wind von rechts nach links) den Fractus-Charakter, lösen sich aber nicht auf, sondern schwimmen windab. Die laminare Welle strömt von rechts über die Föhnmauer (teilweise zu sehen) nach links, fällt in die Senke und steigt vor den Rotorwolken links wieder hoch.
Leewellen entstehen nur dann,
- wenn die Luftmasse oberhalb des Hindernisses neutral bis stabil geschichtet ist, am besten mit einer Inversion knapp oberhalb des Hindernisses.
- Leewellen können durchaus mit Thermik kombiniert sein, allerdings nur dann, wenn die Luft ausschließlich unterhalb der Inversion labil geschichtet ist. Die Thermik darf die Sperrschicht nicht auflösen. Aus den Hebungsvorgängen im Rotor (Begriff wird in einem späteren Artikel im Detail beschrieben) können sich Schauer und Gewitter bilden. Das passiert auch manchmal und führt dann - zumindest phasenweise - zum Zusammenbrechen der Wellen.
- wenn der Windgradient nach oben zunimmt
- wenn er rasant abnimmt, wird die Welle oben gebremst und fällt gegen den Wind um - sie bricht (Beispiel im folgenden Bild),
- wenn der Gradient langsam abnimmt, kommt die Welle oben zur Ruhe, und du kannst nicht mehr weiter steigen.
Im Bild rechts ist deutlich ein "Föhnloch" unter dem Winglet zu erkennen. Das ist der absteigende Ast der Welle, deren aufsteigender Ast in der rechten unteren Ecke des Bildes zu erahnen ist. Diese Welle liegt ungefähr in Blickrichtung, bildet aber einen Bauch nach rechts (ins Luv) beginnend in der Lücke rechts vorne bis hin zu der "brechenden" Welle im Zentrum des Bildausschnitts. Das Bild ist aufgenommen worden aus einer Position südöstlich von Laragne mit Blickrichtung Mont Angèle (Westen), entlang der Chabre. Es macht auch deutlich, dass auch aus einer hohen Position Wellen nicht immer ganz klar und holzschnittartig gezeichnet zu erkennen sind. Für Unerfahrene können Wellen bei zu wolkenreicher Luft schwierig zu erkennen sein, und bei trockener Luft ohne deutliche Fractus-Bildung auch (seufz).
Wenn du dich weiter mit dieser Materie beschäftigen willst, dann empfehle ich dir folgende Webseite : www.schwerewelle.de