Unter dem Begriff "Rotor" werden Strömungsmuster subsummiert, die eine walzenförmige Ausdehnung (mehr oder minder) quer zur Hauptwindrichtung haben.
Sie treten nur bei stärkerem Wind auf und sie werden, im weitesten Sinne, immer durch Scherungen oder Reibung ausgelöst. Sie "kleben" auch immer an einer solchen Scherungs- oder Reibungsfläche. Das können Hindernisse (Berge, Täler) oder Inversionen oder Windscherungen sein. Die letzten beiden Phänomene treten ja auch sehr oft zusammen auf.
Rotoren sind oft, aber nicht immer, ortsfest.
Leewellen werden oft, aber nicht notwendigerweise, von Rotoren begleitet.
Grundsätzlich und ohne dass über das Entstehen geredet wurde :
Eingebettet in das Fortschwimmen der Gesamtluftmasse kann sich ein ortsfester bodengebundener Rotor oben mit die Hauptwindrichtung (sehr wahrscheinlich) oder gegen die Hauptwindrichtung (eher nicht plausibel) drehen.
Du kannst dir sicher ungefähr vorstellen, was passiert, wenn du durch diesen Rotor auf deinen Landeplatz anfliegen musst oder wenn dieser Rotor genau am Punkt des Aufsetzens steht (Standardsituation in Serres bei Mistral). Deine Fahrt im Flugzeug springt um unglaubliche Differenzen. Dein Flugzeug fällt durch oder bäumt sich auf. Das ist kein Zuckerlecken. Und diese Situation hat in den 20 Jahren, in denen ich in Serres fliege, mehrere schwere Brüche hervorgerufen. Das Risiko für Piloten, die auf diese Effekte nicht vorbereitet sind, ist groß !! Solche Rotoren machen das Außenlanderisiko bei Föhn oder Mistral riesig. Da sollte man wirklich nur bekannte und bewährte Felder nehmen.
Im Sinne einer persönlichen Erfahrung oder Wahrnehmung : Ich denke, ortsfeste bodengebundene Rotoren "hüpfen" und "wabern". Sie sind nicht im ganz strengen Sinne ortsfest und bodengebunden. Sie lösen sich vom Boden und legen sich dann wieder auf. Oder : Wenn sie gerade "in der Luft" sind, können sie mit der Windrichtung wegschwimmen, sie lösen sich dann auf, während sich im Luv ein neuer Rotor bildet, der an der alten Stelle wieder ortsfest und bodengebunden ist.
Rotoren können auch mit der Luftmasse mitlaufen. Diese Situation ist noch undurchschaubarer, ist in der fliegerischen Praxis aber nach meiner bescheidenen Meinung und beschränkten Erfahrung kaum relevant.
Auch losgelöst vom Boden sind Rotoren bekannt, oft unter der Bezeichnung "brechende Wellen". Diese Schemazeichnung hat mir Klaus Ohlmann zur Verfügung gestellt.
Zurück zu den Rotoren am Boden unter den Wellen. Darum geht es den Segelfliegern ja.
Diese Rotoren entstehen durch die Mechanik der Welle selbst, bei der die beschleunigte Luftmasse im Lee des Hindernisses absinkt, sich stark erwärmt und labilisiert. Der Gradientenwind reißt diese zunächst nur leicht labile Luftmasse wieder nach oben und verstärkt dadurch die Labilität immens. Besonders starke Rotoren fallen dadurch auf, dass sie eine niedrigeres Kondensationsniveau haben als der Rest der Bewölkung.
Da wo diese Luftmassen hochgerissen werden, wird Luft aus dem Lee - also gegen die Hauptwindrichtung - angesaugt. Das führt allerdings nur in Ausnahmefällen zu einem tatsächlichen Wind gegen die Hauptwindrichtung. Was man merkt, ist - wie oben in dem ortsfesten Rotor erläutert -, eine geringere Windkomponente am Boden. An der Vorderseite wird die hochgerissene Luft labilisiert und beschleunigt ihr Aufsteigen noch adiabatisch. Dieses Aufsteigen bringt das Minimum an Ordnung, das Bärte entstehen läßt, in das ganze Chaos. Alles zusammen bildet den "großen" Rotor unter der Welle.
Das Bild vom Rotor als Walze beschreibt die Phänomene in der Natur nicht genau genug. Schau dir diese Walze im Wasser an. Es ist eine brechende Welle: Sie dreht oben gegen die Fließrichtung. Worauf ich hinaus will, ist das Chaos von Schaum, das den Wirbel bildet. Auch wenn diese Welle hier bricht und falsch rum dreht, so chaotisch ungefähr stelle ich mir die Verhältnisse auch in einem Rotor unter einer atmosphärischen Leewelle vor.
Was du da drin als Segelflugpilot erleben kannst, ist der Rotor als eine unglaublich böige bockige Luftmasse, in der du durch großflächiges Kreisen nie oder nur höchst selten Höhe gewinnen kannst. Mit Glück und Geschick und Gefühl triffst du in der kochenden Luft auf einen engen Bart, der dauernd die Lage ändert, in dem du oft bestenfalls 3 Kreise machen kannst, bevor du verlagern oder sogar neu im Luv suchen musst. Wenn du glücklich bist, kannst du mit 50-60° Schräglage, mit einer mittleren Fahrt von 110 km/h (schwankend um +- 20 - 35 km/h) steigen. Das Vario tanzt zwischen -4 m/s und +6 m/s und du kannst 2 m/s mittleres Steigen rausholen. Wenn du die Tendenz hast, dass dir beim scharfen Kurbeln schlecht wird : Hier kannst du es testen und dir abgewöhnen.
Erfahrungsgemäß gibt es viele "schlechte" Rotoren, bei denen die Steigausbeute unter einem Meter liegt, und einige wenige bessere, die mit 2-5 m/s ziehen. Diese "guten" Rotore sind erstaunlich ortstreu, auch bei variierendem Wind. Deshalb sind sie meist gut bekannt und werden häufig von Segelfliegern genutzt. Beispiele :
- Sommet de Platte (südöstlich Pic de Bure, Rotor unter der Primär-Welle des Pic de Bure)
- über dem Ort Les Allemands bis Lac de Pellautier (südöstlich Pic de Bure, Rotor unter der Sekundär-Welle des Pic de Bure)
- am Col de Rousset der "schießende" Rotor (orographische Besonderheit erzeugt im Rotor eine Konfluenz von Strömungen)
- das "W" in der Straße südöstlich vom Lure-Bogen
- östlich des Sees vom Mont Cenis über Susa
- am Eingang des Valpelline
Generell wird gelten, dass Rotoren dann besonders "gut" sind (gut nutzbar durch den Segelflieger), wenn der Gradient der Windzunahme mit der Höhe nicht exorbitant hoch ist. Oder andersrum: Wenn die Windgeschwindigkeit in 5000 m Höhe 120 km/h überschreitet, dann lebt es sich besser im laminaren Teil der Wellen statt in den Rotoren. Wie man da hin kommt, darum geht es im nächsten Artikel.