Das gilt als die ultimative Kunst des Segelfliegens: Das Geradeausfliegen - ohne Notwendigkeit zu kreisen. Dabei schwebt ein Bild durch die Köpfe: Die Eleganz und Effizienz der Delphine, die - scheinbar mühelos - unter oder an der Wasseroberfläche ein Boot begleiten, über die Oberfläche springen, spielerisch platschend oder höchst elegant ohne Spritzer wieder eintauchen und dahin jagen. Diesem Bild spüren die Segelflieger nach.

Wenn alle Umstände (Wind, Wolkenreihung, Steigen, Flugzeug) optimal sind, ist das keine Kunst. Dann fegen auch wir an den Wolkenkanten entlang, tauchen unter einer Wolke durch, ziehen hintendran wieder hoch, werden langsamer, nehmen Steigen mit, drücken nach, und, und ...

Steppenwolf !!

Aber wenn es nicht ganz so gut ist, dann ist's eine Kunst.

Wie geht das genau ? Wie schnell muss man werden ? Wie langsam darf man werden ? Zieht man hart ? Zieht man weich ??

Genauso wie schon beim Sollfahrtfliegen erklärt - Delphinieren ist Sollfahrtfliegen unter idealen oder beinahe idealen Umständen -, folgst du deinem Sollfahrtgeber und deinem Sitzdruck sanft und ohne Übertreibungen. Wenn du durch das erste Steigenzentrum geflogen bist und dir ein Bild der aufsteigenden Strömungen unter den Wolken gemacht hast, bekommst du ein Gespür dafür, ob das Steigen noch 200 m vor dir weiter geht, wie bei einem isolierten Bart oder ob der dicke Cumulus einen dicken Bart hat, der 5 - 600 m breit ist, oder ob das Steigen gereiht unter eine lang gestreckten Wolkenkante oder -reihung steht. Du entwickelst ein Gespür dafür - manchmal greifst du auch daneben -, wie langsam du werden kannst, bis du wieder nachdrückst, um mit gesenkter Nase aus dem Bart rauszuschießen. Wenn du nun auch noch bei den hohen Geschwindigkeiten dein Gefühl für die Thermik behältst - wo drückt es mehr im Querruder, links oder rechts -, wenn du das Flugzeug sanft, aber eindringlich dorthin steuerst, wenn du das Gefühl bekommst, jede Böe auszusaugen und ihrer Energie zu berauben, dann hast du die Eleganz der Delphine erreicht.

Und jetzt weniger pathetisch:

Wenn du unter der Wolke durch Steigen fliegst, darfst du die Fahrt nur so weit zurücknehmen, dass du noch volle Ruderwirkung hast zum eventuell notwendigen Einkurven.

Beispiel: Mit der LS4 nagelst du mit 150 Klamotten durch die Gegend, die Wolke kommt, das Fallen geht zurück, du hebst die Nase, die Fahrt geht zurück – bis 110. Da lässt du schon wieder ein wenig nach und hältst 110. Nur wenn die Wolke voraus hoch und heilig verspricht, noch ein Weile wie verrückt zu ziehen, darfst du langsamer werden. Denn: Wenn sie dich verarscht oder du das Ende des Steigens verpasst und schlagartig ins Fallen kippst und mit 80 Fahrt dahängst, fällt die Kiste erst mal 30 m durch, bis du wieder 100 auf dem Stau hast, und du musst auch noch nachdrücken, bis wieder 130 anliegen. Das ist großer Käse, deine erworbene Höhe geht wieder drauf und vielleicht noch ein bisschen mehr.

Wenn das Steigen nachlässt, musst du mit einer winzigen Höhenruderbewegung das Flugzeug wieder beschleunigen können. Optimal ist, du verlässt den Bart wieder mit Vorfluggeschwindigkeit (ca. 130-150 km/h).

Wenn das Steigen plötzlich und gut und dick kommt und du noch schnell bist, kannst du auch mal mit einigen g ziehen, mit einem schweren Flugzeug eher als mit einem leichten. Aber bitte nicht ruckartig ziehen, sondern sanft, damit sich die Strömung an der Fläche auf den neuen Anstellwinkel einstellen kann. Bei 100 oder 110 km/h darfst du nur noch sanft ziehen. Ruckartiges Zeihen nimmt dir die Strömung übel.

Unter dem Strich:

Wenn du nicht einkurven willst, ist es besser, ein Jota zu schnell als zu langsam durch die Thermik zu fliegen. Alle Fahrt, die du im Fallen aufnehmen musst, kostet dich über Gebühr Energie. Mit etwas zuviel Fahrt einkurven geht dagegen immer und ist energetisch nicht teuer.

Das Ganze kostet einige Überwindung, weil dein Sollfahrtgeber dabei ja in den höchsten Tönen jubelt. Vergiss ihn, lass den Stachel drin.

Und achte nicht auf die Delphinakrobaten, die neben dir dauernd Männchen fliegen. Die sind zwar ab und zu mal höher als du, aber mach mal die Rechnung nach 30 km Geradeausflug auf. Außerdem kannst du bei deiner ruhigeren Art des Delphinflugs die Wetteroptik voraus viel besser beurteilen und findest dann den besseren Weg, während der Akrobat neben dir anfängt zu kotzen.

 

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