Lilienthal-PolardiagrammDer Anstellwinkel fürs Kurbeln ist optimal bei CAmax !!?? Wasndass ?

Links siehst du ein Diagramm, das die Flugzeugbauer das "Lilienthal-Polardiagramm" oder auch einfach nur "Polare" nennen. Der Name ist nicht sehr erhellend und leider auch noch verwirrend, weil die Piloten oft auch nur von der "Polare" reden, wenn sie die "Geschwindigkeitspolare" meinen. Die Zeichnung zeigt die Verhältnisse von Auftriebsbeiwert [CA] zu Widerstandsbeiwert [CW] für ein gegebenes Profil, wenn man den Anstellwinkel des Profils zwischen einer unteren Grenze und einer oberen Grenze variiert.

Nach oben in der Zeichnung wird auch der Anstellwinkel größer - und irgendwo rechts oben reißt die Strömung ab, jenseits von CAmax. Dann fliegt die Kiste nicht mehr, also gibt es auch kein Verhältnis CA/CW mehr.

Nach unten haben wir auch begrenzte Verhältnisse: Wenn du auf einen zu sehr negativen Anstellwinkel drückst, mag die Kiste auch nicht mehr so recht fliegen. Nach einer Weile ungeregelter Geschwindigkeitsaufnahme wird sie sich einfach flatternd zerlegen.

Jeder Polstrahl entspricht einem Anstellwinkel. Die Maßverhältnisse in der Zeichnung sind nicht so, dass du den Anstellwinkel direkt als Winkelmaß zwischen Polstrahl und der waagerechten Achse ablesen könntest. Man könnte das Diagramm so zeichnen, dann wäre es aber plattgedrückt und gar nicht mehr illustrativ.

Natürlich ist der Anstellwinkel auch ungefähr ein Maß für die Fluggeschwindigkeit, aber da spielt die Flächenbelastung eine Rolle. Schwere Flugzeuge sind prinzipiell bei gleichem Anstellwinkel schneller. Aber der Anstellwinkel des besten Steigens oder geringsten Sinkens bleibt - unabhängig von der Geschwindigkeit - gleich, unabhängig davon, ob das Flugzeug leicht oder schwer, leer oder voll Wasser ist, im Normalflug ist oder gerade mit 3 g abgefangen wird, ob es eben zum Horizont fliegt oder sich im 45°-Kurvenflug befindet. Deshalb musst du versuchen, beim Steigen möglichst genau mit diesem Anstellwinkel zu fliegen. Was natürlich nicht passieren darf, ist, dass du die Nase zu hoch nimmst, denn damit steigt der Anstellwinkel über CAmax und dein Flugzeug geht in den Sackflug oder kippt ab. Ohne den Namen zunennen, habe ich in hier schon das CAmax "eingeführt". Bei den angegebenen optimalen Schräglagen fliegst du auch am CAmax.

Wie kann man den Anstellwinkel anzeigen ? Mit dem Seit(d)enfaden. Das ist ein "HiTec" Gerät, ähnlich wie der Haubenfaden.

Es geht aber auch noch anders:

1980 gab es die ersten LS4-en. Horst bekam 1981 seine 1R (die heute noch Ello und Püppi Liebert fliegen). Unter den ersten LS4-Piloten ging die "Angst" um, die Kiste zu langsam zu fliegen. Nicht so, dass irgendjemand Angst gehabt hätte, runter zufallen, im Gegenteil, alle erkannten, dass das Flugzeug überaus gutmütig war. Vorher hatten wir LS1f-en. Und diese Kiste verkündet durch Geräusche und Gierbewegungungen deutlich, dass das mit dem Langsamfliegen jetzt bitte schön abgestellt werden sollte. Die LS4 macht das nicht, die geht ohne einen Mucks und fast unhörbar in den Sackflug über, dynamisch wie statisch. Mit einer LS1f optimal zu steigen ist einfach (?) : Man wird immer deutlich verwarnt, wenn man über dem CAmax-Anstellwinkel fliegt. Die LS4 sagt dazu gar nichts.

Dem guten Walter Schneider († 2008) war das natürlich nicht recht. Er flog ja selbst eine LS4 und er hatte zwei Vorrichtungen, die ihm die Kontrolle des CAmax-Fliegens erlaubten:

  • eine Libelle am Haubenrand, die so eingestellt war, dass sie beim geringsten Sinken die Blase in der Mitte hatte,
    Die Position der Blase ist immer gleich, auch im Kurvenflug.
    Diese Libelle hatte die gleiche Funktion wie der oben genannte Seitenfaden.
    Übrigens: Mit Fäden hat Walter auch experimentiert.
  • eine Staudruckmessstelle auf der Fläche
    Das mag nun manchen zweifeln lassen. Was passierte da ? Dieser Staudruck wurde alternativ (Druckumschalter) an den normalen Fahrtmesser angeschlossen. Wenn der Piloteur oberhalb des CAmax-Anstellwinkels flog, dickte sich die Grenzschicht über der Fläche auf, es kam zu Verwirbelungen und Ablösungen, die den Staudruck auf der Fläche minderten, und schon zeigte der Fahrtmesser ein deutliches Absinken und Flattern.

Ich (Horst) hatte mehrere Jahre lang so eine Messeinrichtung auf meiner LS4-Fläche, zuerst verbunden mit einem Drucksensor, der eine Dröhte ein- und ausschaltete, später dann - so wie heute noch bei Jörg - als Staudruck-Quelle für den Fahrtmesser.

Mein Vereinskollege Jörg hat auf seiner LS4 heute noch diese Messeinrichtung und nutzt sie auch immer noch.

Staudruckanahme auf der  Fläche (Bild 1)

Staudruckabnahme auf der  Fläche (Bild 2)Staudruckabnahme auf der  Fläche (Bild 3)Einige Jahre später wurde es üblich, Zackenbänder auf der Unterseite der LS4-Flächen anzubringen. Der Grund für die Zackenbänder hatte überhaupt nichts mit dem CAmax-Anstellwinkel-Fliegen zu tun, sondern war darauf gezielt, beim Übergang vom Kreisen in den Gleitflug die Laminarblase zu vermeiden. Aber mit diesem Hilfsmittel veränderten sich die Flugeigenschaften der LS4 so, dass man das Überschreiten von CAmax mitbekam, und die aufwändigen Messapparaturen wurden überflüssing.

Fazit : Mit Flugzeugen, die ihrem Unwillen, bei CAmax zu fliegen, deutlich Ausdruck verleihen, ist es relativ einfach, auch in Kurven optimal zu fliegen, mit dem maximalen Auftriebsbeiwert. Ein auf das Flugzeug eingeflogener Pilot merkt sogar einen "unmerklichen" Unwillen der Kiste. Auf jedem neuen Typ musst du dir deshalb dieses Gefühl "erfliegen", du musst bei CAmax rumspielen, um zu merken, wie dein Hobel dir zeigt, dass "es jetzt gut ist".

 

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