Wenn du mal eine Saison auf Leistung geflogen bist und ein 300-er Dreieck für dich eine grundsätzlich lösbare Aufgabe geworden ist, dann kannst du daran denken, das morgendliche spontane Ausschreiben einer Strecke zu ersetzen durch das Aussuchen einer schon durchgeplanten Strecke aus einem Katalog, den du dir zusammenstellst hast (modern : off-line). Diese Arbeit ist gut für die Wintermonate, sie hält deinen Fliegehunger wach.
Du wirst bei der Zusammenstellung deines Katalogs, so wie ich das unten beschreibe, eine Menge über Geografie und Oberflächenkunde lernen.
Wenn dich der Ehrgeiz gepackt hat, im DMSt mitzufliegen. dann kommst du um diese Vorausplanerei nicht herum.
Stellen wir mal die Kriterien zusammen, denen die zu findenden Strecken genügen sollen. Ich gehe mal von der Annahme aus, dass wir später verschiedene Kategorien von Strecken haben werden, die jeweils für einen bestimmten Typ von Pilot, einen bestimmten Typ von Wetter, einen bestimmten Typ von Aufgabe, usw geeignet sein werden.
Die Kriterien :
- Streckenlänge
Sicher werden wir Neulinge haben, die kurze Strecken brauchen, Fortgeschrittene, die sich mehr zumuten, und Könner, die jenseits der 700 km rumturnen. - Wetter
Bei starkem Westwind ist das Luv der Bergstraße und des Schwarzwaldes gut, das Lee der Rhön schlecht, bei feuchtem Südwestwind staut es vor dem Thüringer Wald, der östliche Schwarzwald in der absinkenden Luftmasse ist fliegbar, vielleicht nicht berauschend gut. - Aufgabe
Für eine OLC-Liga-Aufgabe ist es sinnvoll, genau in der Windachse zu fliegen, einmal, weil du so den Rückenwind ausnutzen kannst, und zum Zweiten, weil du mit den Reihungen optimal zurückfliegen kannst. - Flugzeug
Mit dem Motorsegler kannst du den Tag aggressiver ausreizen als mit dem Segelflugzeug, es sei denn, du hast einen wild entschlossenen Rückholer, der dich, aus dem Rhein-Main-Gebiet kommend, auch bei Sonnen im Bayrischen Wald findet.
Mit deiner SB5 musst du dir andere Strecken vornehmen als mit einer ASH. - Tageszeit
Die Ostseite der Rhön liegt morgens in der Sonne, da muss der erste Schenkel entlangführen, die Kante von Schwarzwald und Odenwald und die Umkehrthermik in den Kiesauen am Rhein sind gut für den Abend.
Wirklich alle Kriterien kannst du selten zusammen befriedigen. Sei zufrieden, wenn du das einigermaßen unter einen Hut bringst.
Und ungefähr so würde ich vorgehen :
Für dich, der du schon mal 300 km mit der SB5 geflogen bist, du bist scharf auf den 500 km Zielstreckendiamanten. Zuerst kaprizieren wir uns mal auf den Platz Reinheim als Startort, aber das ist willkürlich, du kannst auch einen versetzten Abflugort wählen.
Zunächst die Geometrie, kein Schenkel darf länger sein als 28 % der Gesamtaufgabenlänge, keiner kleiner als 25 %. Von Reinheim aus hat damit ein Dreieck rechtsrum den ersten Wendepunkt in der Gegend von Suhl. Weiter links kannst du auf gerader Linie nicht fliegen, ohne mit Frankfurt-Charlie in Konflikt zu kommen. Der zweite Schenkel führt dich dann entlang der Gleichberge, der Haßberge, des Steigerwaldes bis an die Alb. Gewendet wird in Aalen am Fernsehturm. Dann geht es zurück Richtung Odenwald.
Wie sieht das tageszeitlich aus ? Nach dem Abflug in Reinheim in 950 m GND (ungefähr um 10:30) kannst du gleiten bis hinter den Otzberg. Die Osthänge um Nauses müssen dir die erste Thermik geben. Dann geht es weiter über die Sandbacher Klinik, den Breuberg Richtung Obernburg und dann in den Spessart. Der Einstieg in den Spessart mag ein wenig schwierig sein, weil wir von der Schattenseite der Hänge her kommen. Ein bisschen Westwind hilft da. Sobald du den Kamm bei Mespelbrunn übersprungen hast, wird es besser. In einem flachen Bogen südöstlich geht um den Geiersberg drum herum Richtung Lohr mit dem Speicherbecken. Hier stehen am Steilabfall zum Main schöne Bärte. Bis dahin wird die Basis auf satte 1600 m gestiegen sein, du bist aus den Beschränkungen raus und kannst es jetzt knacken lassen. Das Jossatal wird überquert, die Rippe vom Kreuzberg steht vor dir, links unter dir zieht Brückenau vorbei. Gute 100 Minuten wirst du bis hierher schon vergeigt haben. Es ist kurz nach 12 Uhr. Jetzt muss es ein bisschen schneller werden. Der Kreuzbergkamm und die Rhön liegen noch in der Sonne, sind vom Morgen her noch energiegeflutet und vielleicht kannst du bis zum Heidelstein oder noch weiter nördlich aus dem Kurs heraus geradeaus fliegen. Direkt in die flachen Saale-Hügel auf Kurs würde ich nur fliegen, wenn die nördliche Route durch die Rhön wirklich nichts verspricht. Aber gerade darauf ist die Aufgabe ja ausgelegt. Von der nördlichen Rhön aus führt der Weg dann über Meinungen nach Suhl. Es beruhigt die Nerven ungemein, Suhl hoch zu umfliegen, denn die ersten Täler des Thüringer Waldes sind nicht sehr außenlandefreundlich. Zweieinhalb Stunden sind vergangen, es ist 13 Uhr und du hast 160 km geflogen.
Der zweite Schenkel führt über die Gleichberge in Richtung Haßberge. Die Geländeformen werden weniger bergig, eher hügelig. Die alte Grenze ist zu sehen, nördlich davon noch große zusammenhängende Ackerflächen, südlich kleine Parzellen. Hier musst du vielleicht ein wenig kleinere Brötchen backen. An den Haßbergen wird es aber spätestens wieder gut und und südlich des Mains, am Steigerwald brummt es wieder. Das wird gut bleiben bis zur Wende an der Alb. Jetzt ist es kurz nach vier und du wendest dich gen Heimat - noch 150 km und zwei Stunden bis zum wohl verdienten Bier.
Die Hügel bis westlich von Schwäbisch-Hall sind noch recht gut. Dann kommt der Sprung von der Waldenburg durch die Hohenlohe in den südlichen Odenwald. Dieses Gebiet funktioniert nicht immer zuverlässig. Bleib möglichst hoch und fliege verhalten. Ein kleiner Umweg westlich aus dem direkten Kurs heraus lohnt sich meist. Östlich von Horb, nachdem du Kocher und Jagst gequert hast, wird es wieder besser. Wahrscheinlich musstest du ziemlich weit runterfliegen und hast nur noch 500 m unter den Flügeln. Bedenke die Sonne steht schon weit im Westen. Du musst die Hänge anfliegen, die bis vor einer Stunde noch ideal exponiert waren. Spätestens bei Osterburken kannst du beginnen, an den Endanflug zu denken. Wenn du eine Gleitzahl von 20 annimmst, hast du bei 2000 m Basis und 200 m Sicherheit ( 2000 - 150 - 200 = 1650 ) in der Nähe von Mudau die sichere Endanflughöhe erreicht.
So ungefähr musst du Flüge durchplanen.
Und um noch einen drauf zu legen :
Du bist schon etwas erfahrener, fliegst mit der LS4 Schnitte von 85 km/h und weißt schon, wenn die normale Thermik gestorben ist, kannst du in Ludwigshafen in der BASF-Industriethermik (Vorsicht Gasmaske notwendig!) noch so hoch kommen, dass es nach Reinheim reicht. Jetzt rechnest du einen Endanflug für die LS4 aus 2500 m NN auf 500 m NN über der BASF mit in deinen Plan ein. Bei bestem Gleiten - es ist ja dann schon still - hast du bei 100 km/h ein Sinken von 0,68 m/s. 2000 m dividiert durch 0,68 m/s ergibt eine Gleitzeit von etwa 51 Minuten. Bei 100 km/h kommst du in 51 Minuten ungefähr 81 km weit. Ein Kreis um die BASF mit Radius 81 km schneidet den Schwarzwald bei Bad Herrenalb.
Wenn der Wetterbericht das Thermikende auf 19:00 legt, dann setzen wir mal voraus, in Bad Herrenhalb geht es um 19:00 noch auf 2500 m, dann konzipierst du den Flug mal so. An die 8 Stunden schließen sich dann noch an: 51 Minuten Gleitzeit nach Ludwigshafen, 28 Minuten Steigzeit bei einem zarten Umkehrthermikbart von 0,7 m/s auf 1400 m und eine Gleitzeit nach Reinheim von 22 Minuten. Ankunft in Reinheim um 20:40. Der Tag wird also ca 1,6 Stunden länger und die Strecke kann auf 680 + 120 km steigen. Verwegene Rechnung, was ?
Aber nur so kommt man an die Grenze. Dein Streckenkatalog, den du im Winter zusammengestellt hast, hat solche Eventualitäten sicher schon berücksichtigt. Da wählst du jetzt eine Strecke aus, die in das Raster oben passt.
Natürlich kennst du noch nicht alle Ecken, von denen ich schon weiß, dass sie thermisch gut oder schlecht sind. Aber wenn du wachen Auges fliegst, hast du das schnell drauf. Genau deshalb, um sich hier die Einzelheiten einzuprägen, ist die sofortige Nachbetrachtung der Flüge so wichtig.
Und du siehst, die Schnittgeschwindigkeit, mir der du rechnest, musst du auch erreichen können. Deshalb lohnt es sich nicht, ein 300-er zu fliegen, dann ein 400-er gerade so zu schaffen und am 500-er zu scheitern. Du musst zuerst ein 300-er fliegen und dann noch ein 300-er fliegen, aber schneller sein, dann noch eins und noch schneller sein, usw., usw. Um größere Strecken innerhalb der Thermikzeit zu schaffen, musst du schnell fliegen können. Die für dich maximal fliegbare Aufgabengröße hängt von der erzielbaren Schnittgeschwindigkeit ab.
Deshalb ist das oben genannte Kriterium "Streckenlänge" eigentlich ein Kriterium "erzielbare Schnittgeschwindigkeit". Dein Schnitt und der Tagesgang der Thermik bestimmen - nehmen wir einmal an, du hast keine Durchhänger - deine maximale Streckenlänge.
Je näher du an deine und deines Flugzeugs Grenzen stößt, desto genauer musst du deine Schnittgeschwindigkeit auf dem jeweiligen Streckenabschnitt kennen. Kurz nach dem Abflug, wenn die Thermik noch im Aufbau ist, kannst du keine Hammergeschwindigkeit erwarten wie zwischen 13 und 16 Uhr. Und am späteren Nachmittag musst du auch ein wenig langsamer rechnen. Die Nachbetrachtung deiner Flüge aus der letzten Saison mit SeeYou oder StrePla geben dir hier die Anhaltspunkte, die du brauchst.
Das gemeinsame Streckenplanen kann auch ein tolles Thema sein für winterliche Glühweinrunden. Allerdings musst du dann im Nachgang alle Strecken, die nach dem dritten Glas erfunden wurden, wegschmeißen.
Um euch Anhaltspunkte zu geben, habe ich hier einen Streckenkatalog von Reinheim aus (für Streckenflug-Neulinge) zusammengestellt.