Beim Abflugzeitpoker (meist vor Racing Aufgaben) rechnet sich jeder einen Vorteil aus, wenn er den anderen hinterher fliegt und die Bärte angezeigt bekommt. Also bleiben alle vor dem Abflug kleben und belauern sich gegenseitig. Abgeflogen wird dann so spät, dass der Pulk entgegen der Gefahr der abschwächenden Thermik gerade noch schneller sein kann als ein Einzelpilot, der die beste Thermikzeit ausnutzt (Gefangenen-Dilemma). Später als die anderen abzufliegen, ist die dominante Strategie im Wettbewerb. Aber es kostet viel Nerven, sie durchzuhalten, denn deine Strategie führt dich zu einer einzigen Entscheidung, einem einzigen Moment während eines Wettbewerbstages, dem Festlegen des Abflugzeitpunkts. Und bei keiner anderen Strategie sind die taktischen Anfechtungen so groß wie hier. Deine Konkurrenten schwirren noch um dich rum, der Tag wird älter, das Wetter voraussehbar schwächer. So ein Quark! Aber : Es ist halt der beste Weg zu gewinnen. Es geht im zentralen Wettbewerb ja nicht um absolute Leistungen, sondern um deine relative Position zu deinen Konkurrenten.

Der hier referenzierte Artikel von John Cochrane ist nach meiner Information das Umfassendste, was zu diesem Thema geschrieben worden ist.

Wenn du als Anfänger mitmischen willst, musst du deine relative Schnelligkeit zu den anderen kennen.

Wenn du zu langsam bist, bring es dir nichts, mit dem Pulk wegzufliegen, denn du wirst den Pulk bald wieder verlieren - und das am Ende des Tages. Das ist keine tolle Aussicht. Wenn du noch zu langsam bist für die großen Buben aus dem Sandkasten, dann musst du VOR dem Pulk abfliegen. Dann wirst du zwar (möglichst auf dem letzten Schenkel) eingeholt, aber du hast eine maximal lange Zeit Bojen um dich herum, die dir helfen. Außerdem geht es so wie dir auch noch zwei oder drei anderen Piloten, sie alle halten sich für langsamer als die großen Buben. Wenn die zusammen abfliegen, ist das auch schon wieder eine Hilfe, auch wenn sich alle an der letzten Wende überholen lassen müssen. Schon oft haben sich da die kleinen Buben zusammengerauft zu einem Team, das mutig früh abflog und den großen Buben das Leben schwer gemacht hat.

Deine eigene relative Schnelligkeit findest du am besten dadurch, dass du an deinen ersten Tagen auf einem zentralen Wettbewerb alleine fliegst und nur dafür sorgst, dass du rumkommst. Die Wertung am Abend gibt dir den letzten Aufschluss. Du wirst auch im Laufe der Wettbewerbstage in der Luft schon viel sehen, wenn die Koryphäen dich in der Luft überholen. Es ist nichts Ehrenrühriges dabei, sich dann an einen schnellen Konkurrenten anzuhängen und es ihm schwer zu machen, dich wieder abzuschütteln.

Mit zunehmender Wettbewerbserfahrung und zunehmender eigener relativer Schnelligkeit kannst du dann deine Abflugzeit immer später wählen, immer kürzer vor dem Pulk. Und irgendwann, vielleicht einmal ohne deine explizite Planung und ohne dein Zutun, fliegst du dann im Pulk ab - und du kannst auch dran bleiben !! Dann bist du bei den großen Buben angekommen.

Ein Arbeitskollege, militärisch gut ausgebildet, hat es - in einem völlig anderen Kontext, aber trotzdem auch hier passend - vor 10 Jahren mal auf den Punkt gebracht:

Strategie kann man nur bis dort hin machen, wo man auch hinpissen kann.

Oder hier: Wenn du nicht schnell fliegen kannst, hast du nicht alle strategischen Optionen.

 

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