Pneumatische Instrumente ? Wer redet denn heute noch von pneumatischen Instrumenten in der Zeit der Hochrüstung mit MickyMausKinos ?
Wehe dir : Wenn du die vernachlässigst, diese scheinbar problemlosen, unkomplizierten Instrumente, dann beißen sie dich irgendwann in den A...llerwertesten. Was machst du denn, wenn deine Batterie den Geist aufgibt ? Dann geht es plötzlich und unerwartet mit dem Wurschtkordelantrieb weiter : Zeigerschens gucken, Hosenboden fühlen.
Und du denkst, pneumatische Instrumente seien einfach und zeigen dir immer an, was du brauchst ? Dann lies mal weiter.
Der Gesetzgeber sieht ein Variometer nicht als Grundinstrument sondern als wahren Luxus an. Ich denke aber, ein Stauscheiben-Variometer gehört in jede Kiste.
Und eigentlich auch wieder nicht, denn es geht in besonderen Fällen offensichtlich auch ganz ohne ...
In jedem Manne steckt ein K ... Variometer. Schau nur den Horst an, der ist so ein menschliches Variometer. Bei dem Leibesvolumen bewirken die Druckunterschiede beim Steigen und Sinken eine Veränderung der Wölbung des Ranzens, die so groß ist, dass der Horst durch einfaches Beobachten seiner Bauchwölbung oder Fühlen der Bauchdeckenspannung das Variometersignal mitbekommt. Ungelöst ist dabei noch das Kompensationsproblem (siehe unten). Erste Versuche einer Kompensation über die Flüssigkeitsmenge, die im Flug aus den Tränenkanälen austritt und an der Backe entlang läuft, sind fehlgeschlagen. Der Kompensationsfaktor hat leider das falsche Vorzeichen .. und diese Kompensationsmethode wäre leider auf diese Klasse von Flugzeugmustern beschränkt.
Ein pneumatisches Variometer misst das Luftvolumen, das aus dem oder in das Ausgleichgefäß strömt.
Das Volumen ist sehr gering. Es hängt ab vom Differentialdruck entsprechend der Steig- oder Sinkgeschwindigkeit und von der Größe des Ausgleichsgefäßes. Da der Differentialdruck (Druckunterschied je Meter Höhenunterschied) mit der Höhe kleiner wird, wird auch der Volumenstrom mit der Höhe geringer und das Variometer zeigt mit der Höhe weniger Steigen an, als das Flugzeug tatsächlich steigt. Der angezeigte Fehler entspricht der Nichtlinearität der Druckabnahme mit der Höhe.
Bauarten pneumatischer Variometer gibt es derer grundsätzlich zwei : Das Dosenvariometer und das Stauscheibenvariometer. Die bautechnischen Unterschiede bitte ich in einem Grundlagenbuch nachzulesen.
In heutiger Zeit sind in Segelflugzeugen Stauscheibenvariometer üblich. Die Mechanik der Stauscheibenvariometer ist seit den Sechzigern beachtlich verfeinert worden. Bekanntester deutscher Hersteller ist die Fa. Winter. Die Firmen Bohli und Sage (um nur die bekannteren zu nennen) bauen sogenannte Drallband-Stauscheibenvariometer. Diese Geräte sind sehr sehr schnell, sie haben Zeitkonstanten um 1 Sekunde. Es sind feinmechanische Meisterwerke.
Als der gute Horst, noch schlank und rank (1964), in den Doppelraab stieg, gab's da drin ein Dosenvariometer (logarithmisch geteilt von 1 bis 10 m/s !!). Das Ausgleichgefäß war eine 1-Liter-Thermosflasche. Das hat sogar funktioniert, vielleicht nicht so, wie ihr euch heute ein Variometer vorstellt, vielleicht eher so, wie sich Robert Kronfeld 1928 ein Variometer vorgestellt hat : Träge halt oder gut gedämpft.
Wie schon erwähnt, misst (zeigt an) jedes pneumatische Variometer den Luftmengendurchfluss durch das Messgerät. Wodurch dieser Luftmengendurchfluss hervorgerufen wird, ist dabei dem Gerät egal. Es zeigt also auch dann Steigen an, wenn du am Knüppel ziehst. Dabei wandelst du aber nur kinetische Energie in potentielle Energie und in Verluste um - ein Nullsummenspiel mit leichten Reibungsverlusten. Dein Gesamtsystem - das Flugzeug mit dir drin - erfährt keinen Energiezuwachs. Aber genau DEN Energiezuwachs willst du eigentlich kennen. Du willst von dem Variometer wissen, ob sich deine Gesamtenergie, die Totalenergie (kinetische (Fahrt) und potentielle (Höhe)) verändert.
Die Totalenergiekompensation funktioniert dadurch, dass statt des statischen Drucks ein kompensierter Druck ans Variometer angeschlossen wird.
- Im quasi-statischer Zustand ( die Geschwindihgkeit bleibt gleich) zeigen ein TEK-Vairo und ein unkompensiertes Vario das Gleiche an : Du fliegst 120 km/h mit 1 m/s Sinken.
- Wenn du abfängst mit deutlichem Sitzdruck, geht dein TEK-Vario deutlich in den Keller und zeigt damit an, dass du Energie verlierst. Dein unkompensiertes Vario steigt. Manche meinen, dass das kompensierte Vario ins Fallen geht, sei ein Fehler der Kompensation. Das ist falsch. Beim Abfangen mit erhöhtem Lastvielfachem muss der Auftrieb des Flügels nicht nur das Gewicht des Flugzeugs tragen, sondern auch noch Kraft aufbringen, um das Flugzeug nach oben zu beschleunigen. Dadurch entsteht aber ein vergrößerter Luftwiderstand. Diesen Energieverlust macht das TEK-Vario sichtbar. Das unkompensierte Vario sieht nur den Höhengewinn durch Hochziehen.
- Das Umgekehrte passiert beim Nachdrücken, vielleicht nicht ganz so ausgeprägt.
Damit das funktioniert, muss der kompensierte Druck sich dem Staudruck genau entgegengesetzt verhalten (Kompensationsfaktor -1).
Die Totalenergiekompensation wurde 1954 zum ersten Mal von Frank Irving auf dem OSTIV-Kongress in Buxton beschrieben. Bis Ende der Sechziger hatte sie sich - zusammen mit dem Gebrauch von Stauscheibenvariometern - überall durchgesetzt. Die Stauscheibenvarios hatten kleinere Dämpfungen (Zeitkonstanten) als die älteren Dosenvariometer, waren schneller in der Anzeige. Das war notwendig geworden, weil auch die Veränderungen des kompensierten Druckes, die man sehen wollte, schneller abliefen.
Zur Info : Die Zeitkonstante eines modernen Winter-Stauscheiben-Varios liegt (kann man beim Kauf wählen) zwischen 1,8 und 3 Sekunden. Drallbandvariometer (Sage) haben Zeitkonstanten zwischen 0,8 und 1,5 Sekunden. Die Zeitkonstanten von elektronischen Variometern liegen technisch bei 0,3 bis 0,8 Sekunden, im Gebrauch werden sie meist elektronisch gedämpft auf Werte ab 0,8 Sekunden.
Von allen pneumatischen Instrumenten ist das Variometer am empfindlichsten gegen fehlerhaft gemessenen Druck (Artikel von Mike Borgelt).
Im Frühjahr 2014 in Serres hatten wir einen Kameraden, dessen Variometer in einer DG300 partout nicht richtig funktioniert wollten. Er war schierbar am Verzweifeln und hat Hilfe gesucht. Wir haben sukzessive alle Undichtigkeiten ausgeschlossen und es hat immer noch nicht funktioniert. Dann hatte einer von uns eine markabre Idee : Er hat den Sitz der Kompensationsdüse in der Heckflosse untersucht und festgestellt, dass das die Aufnahme für eine Dreiwegesonde (Stau,Stat,TEK) war. Es steckte aber eine Einwegsonde drin (TEK). Die anderen Druckwege endeten als offene Schläuche im Cockpit. Das heißt, in der Flosse hat das Druckchaos fröhliche Urständ gefeiert und ein Variosignal konnte dabei auch sicher nicht rauskommen. Erst als die Schäuche im Cockpit abgedichtet waren, ging das einigermaßen.
Heutzutage führt man dem Vario den "kompensierten" Druck zu (Totalenergiekompensation), früher war das einfach der "statische" Druck. Den Unterschied in der Wirkungsweise hast du sicher detailliert im Theorieunterricht genossen oder du hast dir das in einem der Grundlagen-Bücher angelesen. Vielleicht solltest du dir das jetzt noch einmal antun (Reichmann "Streckensegelflug", ab Seite 251).
Den "kompensierten" Druck nimmt man mit einer - wie sollte es anders sein - Kompensationsdüse ab. Diese Düse ist physikalisch gesehen äquivalent zu einem Venturi-Rohr und sie muss, um saubere Ergebnisse zu liefern, außerhalb der beschleunigten Umströmung des Rumpfes angebracht werden, entweder vor der Rumpfspitze, wie es Alex Müller macht (Bild rechts), oder vor dem oberen Drittel der Seitenruderflosse, wie es fast alle anderen machen. Moderne Düsen sind natürlich viel kleiner als die alten Venturis (sieh mal hier).
Bei älteren Flugzeugen findet man die Kompensationsdüse auch manchmal auf dem Rumpf, an der dicksten Stelle oder dahinter. Aus heutiger Sicht würde man das als "suboptimal" betrachten.
Kommen wir zu den leidigen Fehlern aller pneumatischen Vario-Systeme :
Der Schlauch von der Düse hinten bis zum Vario im Cockpit ist lang. Da ist ein Haufen Luftvolumen im Schlauch. Das macht die Messung langsam. Auch deshalb hat der Alex die Düse vorn !! Jedes Vario ist äußerst empfindlich gegen Undichtigkeiten im Schlauch, sogar gegen Quetschung des langen Schlauchs unter dem eigenen Gewicht im Abfangbogen oder beim Kurbeln oder gegen Beschleunigungen, die auf die Luftsäule im Schlauch wirken. Das Volumen, das zwecks Messung durch das Vario bewegt wird, ist halt sehr sehr gering. Schon kleinste Fehler verzerren die Messung.
Auch wenn die Luftmenge, die beim Steigen aus dem Ausgleichsgefäß rausfließt, gering ist, so reicht die Druckentlastung doch zu einer (fast) adiabatischen Abkühlung der restlichen Luft im Gefäß. Und so wie die Luft im Gefäß kühler wird, wird sie dichter und bremst den Ausfluss. Der Effekt ist, dass du nicht alles Steigen siehst, was da ist. Wenn dann das echte Steigen aufhört, wird die Luft im Gefäß von der Außenwand wieder aufgewärmt, die Luft wird weniger dicht, Luft wird nach draußen gedrückt, das Vario zeigt Steigen, wo gar keins mehr ist. Siehe auch Reichmann "Streckensegelflug, Seite 197. Abhilfe wie dort beschrieben. Wenn du keine Stahlwolle im Ausgleichsgefäß hast, dann wirst du unmittelbar nach dem Windenstart den Eindruck haben, du seist in einen Bart gefallen, weil du noch Sekunden nach dem Ausklinken 1,5 m/s Steigen anliegen hast.
Wenn du die Kompensation noch weiter unter die wissenschaftliche Lupe nehmen willst, dann lies hier weiter.