In den Bergen kann es auch an Tagen ohne auffälligen Wind schon alleine durch die Thermik turbulent sein. Mit deutlichem Wind ist es dann aber ganz sicher turbulent. Und das ist schon etwas anderes als ein holpriger Tag im Flachland. Du solltest dich wirklich gut anschnallen, sonst könnte deine Sonnenbrille an der Haube oder zusammen mit der Haube zu Bruch gehen - mit dem Gesicht noch dran!

Einige Stellen in den französischen Alpen sind geradezu berüchtigt für ihre extreme Turbulenz in der Thermik:

  • Tête de Siguret im Ubaye-Tal bei Barcellonette
  • der Bart am Hausberg von Barcellonette, am Grand Berard auf der Südseite
  • der Bart vor dem Tête de Peyron
  • der Eckbart an der südlichen Kante der Montagne des Agneaux
  • die Bärte am Grat zwischen dem Col du Carrot und der Levanna Centrale
  • ganz berüchtigt der Bart am Albaron-Gipfel (da hatte ich schon ganz viel Schiss)
  • ... (Sammlung ist natürlich nicht vollständig)

 

Gemein sind Querwindgrate. Die Turbulenz reicht hoch hinauf. Auch wenn du 300 m und mehr über dem Grat fliegst, darfst du nicht überrascht sein, bei Querwind gebeutelt zu werden.

Kommst du niedriger an einem Querwindgrat an, darfst du wenig über Grat oder gar unter Grat niemals nahe am Hang ins Lee fliegen. Dort lebt die Segelflugzeugwurstmaschine, da herrscht neben brutaler Turbulenz auch brutales Fallen. Es gab viele Unfälle, die hier ihre Ursache hatten : "Landungen" mit 70 km/h Rückenwind hangab auf 40° Gefälle ("miterlebt" in Aosta 1997) !!

 

Rotor am Südostpfeiler  des Pic de Bure (von oben)

Wenn du in einem Wellenrotor fliegst und zu steigen versuchst, kann das Schütteln und Umherwerfen so schlimm werden, dass du denkst, dein Flugzeug zerbricht. Das wird es mit ziemlicher Sicherheit nicht tun, es sei denn, du kachelst mit 230 km/h in einen Rotor, den du im Blauen nicht sehen konntest (GG Lherm in Neuseeland). Die Turbulenz kann dich allerdings ruckartig aufs Kreuz drehen, gegen volle Ruderausschläge. Sie kann dein Flugzeug durchschütteln, dass dir die Kiefer zusammenknallen und du dir die Zähne in die Zunge schlägst (ist mir in Aosta schon passiert!). Sie kann dich auf die Schnauze stellen, 300 m über dem Grat, und dir werden Zweifel kommen, ob da nochmal Fahrt in die Kiste kommt, mit der du die Situation aussteuern könntest. Dünnflüssiges Adrenalin! Da können auch schon mal gestandene und erfahrene Piloten aufgeben und flüchten. Das ist nicht ehrenrührig. Manchmal wird es wirklich zu schlimm. Und es gibt immer auch noch andere Rotoren, die nicht so wild um sich schlagen, dafür aber mehr Netto-Steigen liefern.

Um mit dem Hitchhiker's Guide of the Galaxy zu reden : Don't panic !! The solution is .... (not 42, but) ... 130.

Immer schön 130 bis 150 fliegen, nicht zu schnell werden, und die Kiste im Mittel dahin zu steuern, wo sie hin soll: um die Ecke oder geradeaus. Allerdings - im Gegensatz zu einem Rat an anderer Stelle - hier sind oft volle schnelle Querruderausschläge gefragt. Und nicht mit zwei Fingern den Knüppel halten, sondern mit der Faust, manchmal sogar mit zweien!!

In Rotoren ist es sinnvolle Praxis, mit einem "aufgeräumten" Cockpit zu fliegen, weil lose Teile die Tendenz haben, in der Turbulenz deine Haube zu verschrammen und deine Sonnenbrille zu zerbröseln.

Meist wirst du in den Bergen "normale" Steig- und Sinkwerte als Variomittelwert beobachten : +2,5 m/s bis -4 m/s. An guten Tagen werden daraus auch mal +5 m/s bis -8 m/s. Bei Wind (Föhn, Mistral) hat der Horst schon erlebt: +18 m/s (als Variomittel laminar in der Welle am Monte Rosa und im IGC-File zwischen zwei Messungen turbulent im Rotor vom Pic de Bure dokumentiert) und -36 m/s (~ 130 km/h - als Variomittel laminar in der Welle am Monte Rosa !). Und das ist wahrscheinlich nicht das Ende der Fahnenstange.

Das ist zwar spektakulär, aber meist nicht gefährlich, denn - mit dem ersten Hauptsatz der Segelfliegerei von Klaus Holighaus - :

Der Wind geht nicht durch den Stein.

Wenn es aber bis knapp davor geht, wird es schon unangenehm, zum Beispiel, wenn man von Norden den Gran Paradiso überspringt und die Welle nicht trifft, dann kommt der Stausee ruckartig nahe.

"An diesen Tagen merkt man, dass man lebt." (Gerd Spiegelberg).

Leute, für die ein Sessel keine Bleibe ist, die finden dieses Wetter geil.

Noch eine Schlussbemerkung : Piloten mit fehlender Schiffschaukelfestigkeit sollten solche Tagen im DoSi "genießen" oder unten bleiben.

 

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