MacCready-Ring für die ASH25Natürlich musst du dich mit der Sollfahrttheorie auseinandersetzen, damit du verstehst, was du eigentlich da in der Luft treibst. Um dir die Einstiegshürde kleiner zu machen, überspringe ich diesen theoretischen Teil mal und betrachte die Frage rein praktisch.

Ich muss allerdings voraussetzen, dass du weißt, wie ein Sollfahrtring (MacCready-Ring) aussieht und wie du ihn mechanisch zu bedienen hast, auch wenn du seinen Aufbau noch nicht erklären kannst. Wenn ich hier von einem MacCready-Wert von 1 m/s (MC 1) rede, dann erwarte ich, dass du die Einstellmarke des Sollfahrtrings auf dem Vario auf die 1 m/s Marke stellst.  Im Beispiel links steht die Marke ungefähr bei 0,5 m/s.

Vielleicht hast du auch schon ein elektronisches Vario mit akustischem Sollfahrtgeber im Cockpit. Dann erwarte ich, dass du am Stellknopf 1 m/s einstellst.

Wenn du am Anfang deiner Leistungsflug-Karriere im Verein stehst, hast du meist eine LS4 oder ein gleichwertiges Flugzeug zur Verfügung. Mit diesem Flugzeug und mit deinem Erfahrungsstand machst du nicht viel falsch, wenn du an einem schwachen Tag mit MC 0,5 und an einem guten Tag mit MC 1 fliegst.

Dem Sollfahrtgeber fliegst du nur IN DER TENDENZ nach, du folgst nicht jeder kleinen Zeigerstellungsänderung. Also nicht, wenn es piept, zum Looping hochziehen.

LS4 PolareSchau dir im Winter mal am Schreibtisch die Polare der LS4 genauer an. Da findest du heraus, dass MC 0,5 in ruhender Luft zu einer mittleren Vorflug­geschwindigkeit von 120 km/h führt, MC 1 zu einer Vorflug­geschwindigkeit von 135 km/h. Da du normalerweise in sinkender Luft fliegst, legst du da einfach 10 km/h drauf, also 130 km/h und 145 km/h.

Das sind deine Richtgeschwindigkeiten. Mit 130 km/h fliegst du im Gleiten bei schwachem Wetter, mit 145 bei gutem Wetter. Wenn du den Sollfahrtgeber entsprechend eingestellt hast (0,5 - 1 m/s), wird das Sollfahrtgeber-Tonsignal dich dazu verführen, die Fahrt im Fallen zu erhöhen, im Steigen langsamer zu werden.

Du kannst an der Polare erkennen, dass die Kurve sich jenseits der 170 km/h stärker krümmt und ins Nirwana nach unten saust. Es macht also mit der LS4 nicht viel Sinn, sehr schnell zu fliegen, es sei denn, es säuft wirklich gigantisch.

Achte darauf: Wenn du das Steigen verlässt, musst du die Gleitgeschwindigkeit schon erreicht haben. Du musst demnach im (schwächer werdenden) Steigen schon drücken. Wenn du im Fallen außerhalb des Bartes Fahrt aufnehmen musst, hast du bereits einen kleinen Fehler (5 - 10 m Verlust) gemacht.

Du hast folgende Indikatoren, nach denen du deine Vorfluggeschwindigkeit steuern kannst / musst:

  • der Sollfahrtgeberton
  • der Sitzdruck
  • das Fahrtgeräusch
  • der Ruderdruck
  • der Horizont

Bevor der Sollfahrtgeberton fällt, spürst du schon den schwächer werdenden Sitzdruck und die Veränderung im Fahrtgeräusch. Du drückst sanft nach. Dann ist der Sitzdruck gleichmäßig schwach, das Fahrtgeräusch wird langsam lauter, aber der Ton des Sollfahrtgebers fällt ins Bodenlose. Noch weiter drücken musst du aber nur, wenn der Sitzdruck nochmal stark nachgibt.

Die Maschine ist schon auf geneigter Bahn und wird schon schneller. Die Sollfahrtdifferenz wird kleiner, der Ton kommt wieder hoch, du ziehst schon wieder ein wenig. Die Geschwindigkeit ist jetzt gleichmäßig bei 150 - 170 km/h. Der Ton schwankt im Sollfahrtfenster. Da fliegst du richtig, quasi ein stationärer Zustand. Dabei wird es nicht bleiben.

Der Ton geht ins Piepen über, du ziehst die Nase ein wenig über den Horizont. Da wird die Kiste langsamer und das Sollfahrtgebersignal und die abnehmende Fahrt halten sich in Schach. Spätestens bei 110 km/h, wenn du nicht kreisen willst, drückst du nach und hältst 100 km/h durch das Steigen durch und beschleunigst auf 130 km/h, bevor das nächste Fallen einsetzt.

So oder so ähnlich spielt sich das ab. Die Hast und die Entschiedenheit, mit der du drückst oder ziehst, entscheiden darüber, ob du wie ein Holzhacker fliegst oder sanft und elegant. Wenn Steigen und Fallen stark ausgeprägt sind, sind deine Bewegungen deutlicher. Wenn die Luft ruhiger ist, sind auch deine Reaktionen sanfter.

Du kannst beim Sollfahrtfliegen eine Menge falsch machen und Höhe, die du vorher mühsam erkurbelt hast, blitzschnell wieder vergeuden.
Der größte Fehler ist, im Fallen zu langsam zu fliegen und der Sollfahrtvorgabe nicht zu folgen, wenn sie auf "Drücken - Häuser groß" geht.
Andererseits ist es aber auch nachteilig, erst im Fallen nachzudrücken. Du musst vorher schon auf Fahrt sein.
Drücken muss sanft erfolgen. Negative Beschleunigungen sind sehr nachteilig.
Alleine aus dieser Problematik heraus musst du einsehen, dass es geschickter ist, ein Jota zu schnell zu fliegen, als sich am Knüppel festzuhalten und zu bremsen.

Wenn deine MacCready-Werte höher werden, werden auch die Fahrtvariationen deutlicher, die Abfangbögen werden ausgeprägter, mit mehr Sitzdruck. Beim Nachdrücken kommt auch mal der Dreck aus dem Cockpit in den Schwebezustand - dann hast du in jedem Fall zu hart gedrückt.

Wenn du dir im Winter die Geschwindigkeitspolare noch einmal genau ansiehst, wirst du erkennen, dass die Kurve zwischen 120 und 160 sehr flach ist. Die Tangenten des besten Gleitens je MacCready-Wert liegen nur ganz wenig über der Polare. Das bedeutet: Wenn du in diesem Fahrtbereich gegenüber der Sollfahrt abweichst, ist dein Fehler sehr gering.

Mich, Horst, hat diese Tatsache zu meinen LS4-Zeiten dazu bewogen,  eigentlich nur zwei Geschwindigkeiten zu fliegen : 110 km/h beim Suchen und 150 km/h im Gleiten, sogar weitgehend unabhängig von der Tagesgüte. Um den Rest habe ich mir kaum Gedanken gemacht, weil mir klar war, dass ich keinen großen Fehler machen würde. Ich habe die frei werdende Aufmerksamkeit dazu genutzt, zu pinkeln, mich zu entspannen und/oder das Wetter zu beobachten und/oder Konkurrenten zu beobachten.

Glücklicherweise hat meine DG800-Polare ganz ähnliche Charakteristika, allerdings in einem etwas schnelleren Fahrtfenster. Und deshalb ist für mich auch heute die Einhaltung der Sollfahrt ein sekundäres Problem. Wenn es langsam gehen muss, fliege ich 120, wenn es schnell gehen muss, fliege ich 165 km/h.

Wenn deine Erfahrung gewachsen ist, die Strecken an die 500 km gehen und vielleicht ein Wettbewerb bevorsteht, dann wirst du sicher den MacCready-Wert als eine wesentliche taktische Stellschraube neu entdecken. Dazu musst du die Sollfahrttheorie beherrschen. Aber jetzt, sozusagen für das Erlernen "des aufrechten Gangs", ist der MacCready-Wert selbst von untergeordneter Bedeutung. Er gibt dir lediglich das Maß der Vorwärtsgeschwindigkeit zwischen den Bärten.

 

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