Halten wir uns an den Käsescheiben azs dem vorangehenden Artikel fest.
Institutionen:
Hierzu zähle ich alle Körperschaften - formelle wie informelle -, die unsere Fliegerei regulieren. Dazu gehören der Staat und seine Ableger (Landesbehörden, Regierungspräsidien, das LBA), die entfernteren Kinder wie die EASA, aber auch unser Dachverband, der DAeC, die Landesverbände, unser eigener Verein, und auch die kleineren, sich an speziellen Interessen orientierenden Gruppen innerhalb eines Verein.
Alle diese Institutionen werden in ihrem Regulieren durch die gemeinsame Vision geleitet, dass sie durch die Regeln nur unser Bestes zu wollen, dass sie Schaden und Unbill abwenden zu wollen, sie wollen Risiken vermeiden, kleiner machen. Im Grunde stimmt das. Allerdings da, wo die Regelungswut pervertiert, muss man sie bekämpfen - nicht nur in Teutschlant -.
Diese Käsescheibe stellt sicher,
- dass keine untauglichen Flugzeuge geflogen werden (Zulassungsbeschränkungen, Wartungsvorschriften),
- dass keine untauglichen Menschen Flugzeuge führen dürfen (Flugtauglichkeitsuntersuchung)
- dass keine Menschen ohne entsprechnde Ausbildung Flugzeuge (eventuell in speziellen Situationen) führen dürfen
- dass es im Verein zu einer Verteilung der Kosten kommt, die alle Mitglieder als gerecht empfinden
- dass es im Verein zu einer Verteilung der Sitzplätze kommt, die alle mittragen
- dass die richtigen Piloten ausgewählt werden, um in unserem Namen sportliche Wettkämpfe zu bestreiten
- ...
Du, der du diese Zeilen liest, und ich, der sie schreibt, wir haben nicht auf alle genannten Institutionen unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Einfluss, aber wir tragen die Regelungen im Zweifel mit, - allerdings auch manchmal nicht.
Manche Regelungen kommen über uns und werden als Machtinstrument hirnloser Bürokraten, ohne praktischen Zweck und an einem kontrovers dikutierten Ziel vorbeigreifend entlarvt (ZüP nach §7 Luftsicherheitsgesetz).
Systeme:
Hier geht es um unsere Gerät, unsere Flugzeuge, Fallschirme, Instrumente, etc.
Seit es Luftfahrtgeräte gibt, wird daran gearbeitet, sie zu verbessern, nicht nur an ihrer Leistung, auch in ihrer Anfälligkeit für Defekte oder Fehlbedienungen.
Hier wird deutlich, dass die folgende Käsescheibe "Verfahren" Einfluss hat auf die Scheibe "Systeme". Denke nur an die Ruderanschlüsse der LS1f, die mit einem Verfahren verschlossen wurden, das nicht narrensicher war. Heute gibt es diese risiko-behaftete Verfahren nicht mehr. Die Flugzeuge haben automatische Ruderanschlüsse.
Um im Bild zu bleiben: Die Löcher in der Scheibe "Systeme" sind klein geworden und es werden immer weniger. Unsere Systeme sind "ziemlich" sicher, sie tragen nur geringe Risiken bei.
Verfahren:
Da, wo die Systeme nicht sicher sind, müssen Verfahren greifen. Obwohl das heute vielleicht nicht mehr in gleichem Maße notwendig ist, mache ich an meiner DG immer noch die Ruderprobe wie 1981 mit der ersten LS4.
Die Festigkeit von Sollbruchstellen ist farbig codiert: rot, blau und schwarz. Das soll man als Helfer am Start wissen. Das Verfahren kann mit wenig Aufwand sicherer gemacht werden, wenn am Flugzeug neben der Kupplung ein Fleck in der gleichen Farbe gemalt ist, mit der die richtige Sollbruchstelle codiert ist.
Leider sind es oft diese Eselsbrücken, zu denen irgendjemand eine Idee haben muss (die oben ist nicht von mir :-) ) und mit denen dann ein Verfahren (hier das Einklinken am Windenstart) sicherer gemacht werden kann. Allerdings : Gucken muss der Einklinker trotzdem noch. Wenn er auf beiden Augen taub ist, weil er am Abend vorher gesoffen hat, dann sind wir beim Thema "Tauglichkeit", und wie das Beispiel zeigt, erstreckt sich die Forderung nach Tauglichkeit nicht nur auf den Piloten, sondern auf alle Teilnehmer am Flugbetrieb.
Verfahren werden immer von Menschen durchgeführt und sind deshalb zwangsläufig anfällig für Fehler, also risikobehaftet. Sichere Verfahren sind solche, bei denen den Durchführern die Möglichkeit etwas falsch zu machen, verwehrt wird (z.B. polungssichere Batteriestecker). Leider gibt es davon zu wenige.
Um Verfahren sicherer zu machen, gibt es eine Menge Möglichkeiten. Die meisten davon und auch die effektivsten beruhen auf Kommunikation, einer anderen Käsescheibe. Denk nur an das 4-Augen-Prinzip beim Aufbau und Ruder-Check eines Segelflugzeugs. Es ist auch für mich als alten Hasen kein Verlust an Prestige, wenn ich einen Junior bitte, mit mir eine Ruderprobe zu machen. Ganz im Gegenteil, da werde ich Vorbild und forme ein Verhaltensmuster in den Jungen, das allen zugute kommt.
Verfahren und Prozeduren schaffen Verlässlichkeit. Denk an die Landechecks an der Position, die Platzrunde selbst. Denk an den Startcheck, bevor das Seil eingehängt wird, sogar noch danach.
Ich habe selbst schon nach einem letzten Check im Windenstart beim Anrollen ausgeklinkt. Nach dem ersten Rudercheck - schon am Seil mit angehobener Fläche - hatte es eine Verzögerung gegeben und die Fläche des Bergfalken wurde noch einmal abgelegt, um den landenden Piloten klar anzuzeigen, dass man ihn gesehen hatte und dass die Bahn für ihn frei war. Danach ging es wieder los. Dummerweise ist der Ruderspalt am Querruder beim Bergfalken nach unten so weit offen, dass bei abgelegter Fläche und notwendigerweise hochgeklapptem Querruder ein Stein in den Spalt gegriffen werden kann, der dann das Ruder blockiert. Ich habe es gerade noch rechtzeitig gemerkt, weil ich im Anrollen noch einmal "durchgerührt" habe. Ein böse Falle! Den Stein habe ich noch!
Verfahren, Prozeduren, Checks vermeiden Risiken, machen dein Handeln voraussehbar und befreien deine Kameraden von Zweifeln, ob du richtig handelst.
Human Factors:
Sicherheit beginnt bei uns im Kopf, denn es ist unsere - deine - meine Einstellung zu unserem Tun und Handeln, die uns leichtsinnig und unbedacht oder vorsichtig und nachdenklich macht. Wir sind in unserem Verein jetzt glücklicherweise seit Jahren ohne schwere Unfälle geflogen. So lange, dass du, weil du zu den jüngeren Mitglieder gehörst, gar nicht weißt, dass es auch bei uns schon fatale Unfälle gab, zuletzt 1996 Willi Heberer, der mit seiner LS 1 f am Platz umkam, und 1989 Wolfgang Röth, der in einer LS7 in Reutte am Hang abgestürzt ist (und davor auch andere).
Wir hatten seit dieser Zeit unseren Teil an kleineren Unfällen, die ohne Personenschaden abliefen, die nur Geld und Ärger und Aufwand gekostet haben. Im Sommer 2009 waren wir haarscharf vor der Katastrophe.
Kaum ein Unfall ist zwangsläufig oder unabwendbar. Erst wenn eine Reihe von vorauslaufenden Versagen erfolgt ist - die Schweizer-Käse-Scheiben illustrieren dies - , meist menschliches Versagen, dann wird ein Unfall unabwendbar.
Schulung & Training, Erwerb von Routine:
Für dieses Thema steht diese gesamte WebSite.
Engagement und MIT-Verantwortung:
Wer am Flugbetrieb teilnimmt, ist nicht allein, darf nicht alleine gelassen werden und er darf andere nicht alleine lassen.
Auch ein Rookie auf dem Platz kann einem alten Hasen das Leben retten. Mein Sohn hat mich im zarten Alter von 16 mindestens zweimal vor Fehlern bewahrt. Einer davon hätte ziemlich sicher fatal geendet: Ein nicht angeschlossenes Querruder an einer ASH-Fläche. Wohl gemerkt, obwohl vorher schon ein Rudercheck gemacht worden war !! - Nur halt nicht richtig, mit fehlendem Engagement.
Engagement und Verantwortung bedeutet: Sich kümmern, die Augen offen halten, eingreifen ... und dies auch noch so tun, als ginge es immer ums eigene Leben, niemals nur so pro forma, larifari.
Verantwortung bedeutet auch, einen Piloten, der sein Flugzeug gerade zusammenbaut, nicht wegen Trivialitäten zu stören, ihn in Ruhe arbeiten zu lassen. Es bedeutet, da zu sein für den 4-Augen-Check. Es bedeutet, ohne Aufforderung dafür zu sorgen, dass die Bahn frei bleibt. Es bedeutet, darauf zu achten, dass dein Vereinskamerad genügend trinkt an einem heißen Tag.
Und es bedeutet auch, dass du ihn daran hinderst in die Kiste zu steigen, wenn er seine Gedanken nicht beieinander hat oder gezeigt hat, dass er die Kiste nicht beherrscht, vielleicht zu wenig Übung hat. Das ist die schwerste Verantwortung, denn das nimmt er dir zunächst mal ziemlich sicher übel.
Kommunikation
Das schwierigste und umfassendste und am schlechtesten eingrenzbare Thema, weil auch soviel Subjektivität mitschwingt. Andreas Loring hat dazu einen Artikel für diese WebSite beigesteuert, der sich um einen wirklich neuralgischen Teil von Kommunikation, Umgang und Kultur dreht: Über den Umgang mit Fehlern.
Fazit:
Hier sind die Käsescheiben nur vage beschrieben. Als Autor steht man vor dem Dilemma, sich darin zu verlieren oder sich zu beschränken.
Klar muss sein, Sicherheit ist nur ganzheitlich zu haben. Und die Käsescheiben, in denen wir Löcher stopfen können, das sind die, die unsere persönliche Interaktion mit der Umwelt und mit unseren Vereinskameraden betreffen.
Deshalb ist das Vereinsklima, die Offenheit der Diskussion, der Stil der Kommunikation im Verein so überaus wichtig für unser aller Sicherheit. Alfred Ultsch ist da auf dem richtigen Weg.
Die folgenden Kapitel beziehen sich auf abgegrenzte Themen, die aber sehr wohl in eine oder gar in mehrere Scheiben eingeordnet werden können.